Der große Blowjob (German Edition)
da kommt auch schon der Besitzer von dem Rad auf sie zu und sagt: Äh, ’tschuldigung, aber das ist mein Rad?! Und die Frau antwortet, sie wolle sich nur schnell einen Clover-Kaffee zum Mitnehmen holen, in vier Komma zwei Minuten sei sie wieder da, Ehrenwort, und da habe ich plötzlich eine ausgewachsene Panikattacke: Der Wunsch, mich vor einen Bus zu werfen, ist so stark, dass ich mich am Stuhl festklammere, stocksteif dasitze und hoffe, dass es wieder aufhört. Das passiert nicht zum ersten Mal, ich weiß also, was zu tun ist, nur habe ich in meiner Crumpler-Umhängetasche leider kein Klonopin. Nach ungefähr einer Stunde beschließe ich, heute nicht zur Arbeit zu gehen. Nach einer weiteren Stunde steht für mich fest, dass ich heute überhaupt nichts mache. Mir ist bewusst, dass ich eine meiner Episoden habe, da mir so was, wie gesagt, nicht zum ersten Mal passiert, und normalerweise sind sie nach einer Weile wieder vorbei, wobei der Angstzustand, den ich gerade durchmache, mir hartnäckiger als frühere vorkommt. Hin und wieder klingelt & summt mein Handy, weil einige wichtige Sitzungen auf meinem Terminplan stehen, darunter ein Termin mit der Personaltante, weil ich heute eigentlich zwei weitere Texter freistellen sollte & kein Mensch weiß, wo ich stecke, ob mir was zugestoßen ist, die Nachrichten auf meiner Mailbox werden sicher von Mal zu Mal besorgter. Aber ich fühle mich außerstande, ans Handy zu gehen oder auch nur meine Nachrichten abzuhören, weil mich auf einmal der, klar, völlig unsinnige Gedanke beherrscht, dass mir dann etwas Schreckliches zustößt, Verhängnisse aller Art über mich hereinbrechen, vom finanziellen Ruin über Folter bis hin zum Tod, obwohl ich weiß, wie blöd das ist. Dann ist da noch die SMS der Praktikantin, die ich lieber kein zweites Mal sehen würde, nicht mal, um sie zu löschen.
In diesem Augenblick kommt die nach Patschouli duftende halbsenegalesische Thekenfrau an meinen Tisch und fragt, ob mit meinen Beeren irgendetwas nicht in Ordnung wäre, weil ich sie noch nicht angerührt habe. Nein, nein, sage ich, die Beeren sind total köstlich, ich habe es mir bloß anders überlegt, tut mir leid. Beinahe füge ich noch hinzu, dass ich, wenn ich jetzt das Café verließe, vielleicht, eventuell vor einen LKW laufen würde, nur damit es aufhört. Was genau soll aufhören? Keine Ahnung, alles. Ich möchte lachen und mache das für einen Moment. Ein paar Leute sehen zu mir her und ignorieren mich dann wieder. Nach einer weiteren halben Stunde ist die Episode vorbei, und ich bin in der Lage, aufzustehen, wieder nach Hause zu gehen & dort ein paar Stunden Halo zu spielen. Danach lege ich mich schlafen, ohne meine E-Mails zu checken oder irgendwo zurückzurufen. Mir geht durch den Kopf, dass ich vielleicht a) einen unerklärlichen Widerwillen dagegen empfinde, die beiden Texter zu feuern, die ich heute eigentlich hätte feuern sollen, und b) mich gerade halbwegs in sie verliebe, in das Mädchen, dessen Namen ich nicht weiß oder nicht wissen will, was eigentlich unmöglich ist, aber mit all dem kann ich mich auseinandersetzen, wenn sich die Wogen geglättet haben.
1.6
Nachdem ich stundenlang dagelegen habe, ohne einschlafen zu können, gebe ich morgens um Viertel vor sechs schließlich auf. Statt ins Gym zu gehen, beschließe ich, die gestern eingegangenen Nachrichten zu prüfen und mich mit der Krise zu befassen, die sich wohl unweigerlich daraus ergeben wird, dass ich nicht im Büro aufgetaucht bin. Zu meiner Verblüffung finde ich nur zwei Mails von meiner Assistentin vor. Die erste betrifft meine Reisepläne in Hinblick auf einen Spot, der demnächst in Los Angeles gedreht wird, und in der zweiten, vom Vormittag, erkundigt sie sich, wo ich stecke.
«(Die Personaltante) hat angefragt, wo Sie zu finden sein könnten, Eric, sie erreicht Sie nicht, hat Ihnen schon auf die Mailbox gesprochen und plant um, damit Sie heute Nachmittag voneinander hören», lautete die E-Mail meiner Assistentin. Auf meiner Mailbox befinden sich ebenfalls zwei Nachrichten, wie zu erwarten beide von der Personaltante, die beide Male in freundlichem, professionellem Tonfall um «Rücksprache» bittet, zwecks «Abklärung» unseres weiteren Vorgehens. Was das bedeutet, ist Folgendes: Noch nicht einmal sechs Uhr, und ich habe bereits entschieden, nicht trainieren zu gehen. Es ist ein Plan, den ich leicht wieder ändern könnte, denn Zeit habe ich, weil ich erst in etwa vier Stunden im Büro erscheinen
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