Der große Blowjob (German Edition)
das irgendwie witzig oder originell –, und ich lasse sie alle in den Papierkorb wandern. Zeitverschwendung, sich auch nur eine Sekunde von dem Dreck anzusehen. Da ist ein Hauspostumschlag auf dem Tisch, der sich leer anfühlt. Ich will ihn gerade öffnen, als Dave und Bill ins Büro kommen. Sie sehen die Personaltante und wissen sofort Bescheid.
«Tja, das war’s dann wohl», sagt einer der beiden und lacht nervös. Das ist der Standardsatz, den sie alle sagen, um die Demütigung abzumildern, um die Situation in der Hand zu haben, und auch das nervöse Lachen gehört jedes Mal dazu, so sollte es ja auch sein. Dave und Bill aber müssen sich vorläufig noch gedulden, weil ich mich zu sehr über die Dummheit meiner Assistentin aufrege, die die beiden zur selben Zeit herbestellt hat. Weil das gegen die Spielregeln verstößt. Unseren Anwälten zufolge müssen wir jeden Mitarbeiter einzeln entlassen, mit Ausnahme von Teams, und Dave und Bill sind beide Texter und folglich kein Team. Mit anderen Worten, einer der beiden, Dave oder Bill, die Reihenfolge haben wir noch nicht festgelegt, muss draußen vor der Tür warten, während dem anderen seine Entlassung verkündet wird. Das ist erniedrigend, aber wie ich die beiden in den letzten Monaten aufgemischt habe, war sicher schlimmer.
Dave beispielsweise ist sechsundvierzig, und seine Frau hat vor gerade einmal zwei Wochen ein Kind bekommen. Einen abstoßend hässlichen kleinen Fettklumpen, fast schon furchteinflößend. Als ich das Foto sah, das er hier herumgemailt hat, fragte ich mich spontan, ob das Kind vielleicht ein vogelköpfiger Zwerg ist. Das klingt nach etwas, was ich mir ausgedacht habe, dabei ist es der medizinische Fachbegriff für eine Art Mutation oder Missbildung, verwandt mit der Mikrozephalie, der Kleinköpfigkeit, aber nicht dasselbe. Jedenfalls ließ ich von meiner Assistentin, ich sollte wohl langsam mal ihren Namen nennen, sie heißt Cheryl oder Cherie & ist nicht so attraktiv, wie ich gehofft hatte, aber das lässt sich jetzt leider nicht mehr ändern. Ich ließ von Cheryl oder Cherie ein Präsent an Dave und seine Frau schicken, einen süßen Strampelanzug und eine Flasche Champagner mit einer von mir handgeschriebenen, sehr herzlichen Glückwunschkarte. Diese Geste konnte natürlich unterschiedlich gedeutet werden: zum einen als weitere Drehung des Bratspießes, an dem ich Dave langsam schmoren ließ, da ich schon vor Monaten erste Andeutungen gemacht hatte, dass sein Stuhl wackelte. Zum anderen als Ausdruck meines schlechten Gewissens, weil ich wusste, welches Schicksal ihm bevorstand. Bill dagegen ist Single und homosexuell, auch wenn er nicht öffentlich dazu steht. Aber ein Mann, der immer derart tadellos gebügelte und ohne einen Knitter in die Hose gesteckte Hemden trägt, kann unmöglich hetero sein, mit Ausnahme von mir. Etwa um dieselbe Zeit, in der ich anfing, Dave erste Fingerzeige zu geben, hatte ich Bill in mein Büro bestellt und ihm eine Beförderung sowie eine ansehnliche Gehaltserhöhung in Aussicht gestellt. Ich müsste mir nur noch von der Holdinggesellschaft grünes Licht geben lassen. Wenn er mich in der Folgezeit ansprach, um sich nach Fortschritten in der Sache zu erkundigen, erzählte ich ihm von einem Gehaltsstopp von ganz oben oder so etwas, aber nur keine Sorge. Da wir schon vor langem entschieden hatten, die beiden an ein und demselben Tag zu feuern, fand ich es reizvoll, ihre Reaktionen so unmittelbar vergleichen zu können. Wozu sich die Sache schönreden? Die ganze Branche ist abgrundtief böse, warum es nicht offen rumposaunen?
Als wir damit fertig sind, die beiden fertigzumachen, und Damon & Terry bullig und einschüchternd mit ihnen bei den Aufzügen stehen, um sie auf ihrer Fahrt der Schande hinunter auf die Straße zu begleiten, fragt die Personaltante, ob wir zusammen essen gehen wollen, sie hätte etwas mit mir zu besprechen.
«Ich habe keinen Hunger», erwidere ich. Komisch, dass ich so gar keinen Appetit habe, obwohl ich seit immerhin dreieinhalb Tagen nichts gegessen habe.
«Worum geht es?»
Sie steht auf und schließt die Tür, während ich den Hauspostumschlag öffne. Nachdem sie sich wieder hingesetzt hat, kommt sie gleich zur Sache, es gehe um diese neue Praktikantin bei den Produktionern im achten Stock. Ich ziehe währenddessen ein einzelnes Blatt Papier aus dem Umschlag und überfliege es stirnrunzelnd.
Was soll ein Mädchen tun? Nun, am vernünftigsten wäre es wohl, zu verschwinden. Manche
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