Der große Blowjob (German Edition)
Existenz ergeben hatte, begann ich die archaische Schönheit und offenkundige Freude des Tötungsaktes zu genießen und ging dazu über, ihn in ein kunstvolles Ritual zu verwandeln. Wobei der Vergleich mit einer Jagd eigentlich gar nicht passt, weil die Beute keine Chance hat, mir zu entkommen und zu überleben wie in der freien Wildbahn. Ein anderes Bild passt besser. Vergangenes Jahr habe ich eine Frau gedatet, ein Model, das in L. A. lebte, und wir sind ein langes Wochenende nach Barcelona geflogen. Am Sonntagnachmittag haben wir einen Stierkampf besucht. Sie hat heftig protestiert, weil PETA Stierkämpfe regelmäßig anprangert, und irgendwelchen Unsinn darüber abgespult, wie grausam dieser sogenannte Sport doch wäre. Ich habe ihr im Großen und Ganzen beigepflichtet, natürlich auch mit dem Hintergedanken, dass sie mir vor unserem Rückflug noch einmal einen bläst.
«Betrachte es anthropologisch», riet ich ihr, betrachte es als Fenster in eine andere Welt. Und es war wohl auch eine andere Welt, ein wenig wie – nun, wenn man an die Sorgfalt und Geduld denkt, mit der sich ein Serienmörder dem Körper seiner Opfer widmet, oder ein Pathologe der Obduktion eines Toten. Diese Vorgänge sind schrecklich und dabei zugleich ehrenvoll, wie eine Himmelsbestattung. Und der Stierkampf ist auch gar kein Sport, sondern ein Tanz, eine künstlerische Performance, die ihren Ursprung auf spanischen Rinderfarmen hat, habe ich mal im Internet gelesen, kann aber auch sein, dass ich mir das ausgedacht habe. Der Stier muss sowieso sterben, weil er Fleisch liefern soll, und so ehrt ihn der Matador im Grunde als Partner, indem er in der Arena sein Leben riskiert, bis er dem Tier schließlich den tödlichen Stoß versetzt, mit einem Sprung in die Luft, bei dem sein Unterleib den Hörnern des Stiers frontal ausgesetzt ist. Die Veranstaltung insgesamt war ziemlich schwul, aber irgendwie auch tiefgründig, fand ich.
So ähnlich begann ich auch über meinen Job zu denken. Klar, ich könnte einfach nur buchstabengetreu meinen Anweisungen folgen, sie in mein Büro rufen, bekümmert den Kopf schütteln, den Blick gesenkt halten, meinen Satz aufsagen, ihnen die Hand drücken, meine Hilfe dabei anbieten, für sie anderswo einen neuen Posten zu finden, eine völlig unsinnige Floskel, wie uns beiden nur zu bewusst wäre. Treffen wir uns bald mal auf einen Drink, Kumpel, Sie werden uns hier fehlen, die verfluchten Erbsenzähler haben mir die Hölle heißgemacht, uns bleibt leider keine andere Wahl, aber Sie sind ja nicht allein, und so weiter. Ich könnte sie so töten, wie Hühner in Schlachthöfen getötet werden, fabrikmäßig und unpersönlich, sodass sie gar nicht ahnen, was gespielt wird, bis zum Augenblick ihres Todes, wenn überhaupt, falls ein Huhn auch nur einen Begriff vom Tod hat, nicht wahr? Oder ich könnte sie mit der Kunstfertigkeit und Anmut und Würde einer wirklich guten
commedia
von der Bühne schicken, in einer grandiosen, langen, blutigen Szene voller Engel, Dämonen & Clowns. Sie können arg- und ahnungslose Verlierer sein oder Stars, das lag bei uns beiden, wir arbeiten hier zusammen als Team. Wobei ich allerdings das Ruder in der Hand hielt, mit meinem Zeitplan von Entlassungen, der sich über ein Jahr erstreckt. Outlook informierte mich, wenn wieder eine Einladung zum Gespräch fällig war. Outlook war meine
faena
, mein Schwert.
Ein Kennzeichen westlicher Industriegesellschaften ist die Segregation des Todes. Sterbende und Tote sind nicht länger Teil der normalen Lebenswirklichkeit, sondern werden in den Bereich der sogenannten Fachleute verbannt: Ärzte und Pflegekräfte, die Polizei, Bestatter, private Militärfirmen. Diese Abtrennung hat nach Auffassung mancher Philosophen zu Neurosen geführt, wenn nicht zu Psychosen. Die Untaten Nazi-Deutschlands kommen einem in den Sinn, wenn nicht sogar die gesamte Porno-Industrie. Worauf ich hinauswill? Ich hole den Tod aus den überbetäubten Randbereichen zurück ins Zentrum des Geschehens. Das ist meine Mission, meine Absicht, und sie geht weit über das bloße Zurechtstutzen der Kreativabteilung im Interesse der Shareholder der Holdinggesellschaft hinaus, der die Holdinggesellschaft gehört, der wiederum der Laden gehört, bei dem ich beschäftigt bin. Ich überzeichne und ritualisiere die Methoden, wie Unternehmen Leute entlassen. Für die gesamte Menschheit, für die Nachwelt: Ich habe eine neue Kunstform erschaffen.
In erster Linie aber will ich mir meinen Bonus
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