Der große Blowjob (German Edition)
Abteilung um mindestens 50 % verkleinern. Das macht 43 Leute. Damals war ich froh, dass wir von einer geraden Zahl ausgingen, da es wohl schwierig geworden wäre, eine halbe Person zu feuern, obwohl im Grunde ja alle, die über längere Zeit in dieser Branche arbeiteten, ohnehin nur noch halbe Menschen waren. Dann erstellten wir einen Zeitplan, der vier Entlassungen pro Monat vorsah, damit müssten wir ungefähr hinkommen. Bei der Auswahl der Termine achteten wir darauf, es möglichst wahllos aussehen zu lassen. So konnten wir uns darauf berufen, dass es sich um eine Anweisung von ganz oben handelte, dass irgendein Kunde entschieden hatte, seinen Etat zu kürzen, und so weiter. Durch wiederholtes tiefes Seufzen machten wir uns vor, dass es eine schwierige Aufgabe war, die uns beiden echt nicht leichtfiel. Hinterher gingen wir aus, gönnten uns ein gutes Essen und ein gepflegtes Komabesäufnis und ließen uns vom Limousinenservice nach Hause bringen, alles auf Spesen natürlich, weil diese Arbeit uns ja so viel abverlangte.
Henry hatte eine ziemlich interessante Biographie, ein Mann mit neun Leben, könnte man sagen, bis er mir begegnete, und ich habe dem dann wohl ein Ende gesetzt. Er hat schon als Jugendlicher geschauspielert, Schultheater, Musicals und so weiter, und dann ging er nach Hollywood, wo es für ihn eine Zeitlang ganz gut lief. Er hat in einer ganzen Reihe Spielfilme und Fernsehserien mitgewirkt, hatte sogar die eine oder andere Szene an der Seite wirklich namhafter Größen. James Spader, zum Beispiel. Aber Henry stammte aus einem Trailerpark in Florida, und sobald er einen kleinen Fetzen Ruhm abgekriegt und ein bisschen Geld verdient hatte, hat er in seinen Zwanzigern alles durch die Nase gezogen. Klar, er hatte jede Menge Sex und wirklich viel Spaß, doch als er dann anfing, high am Drehort aufzutauchen, waren seine Tage gezählt. Er war ein zu kleines Licht, um damit über längere Zeit durchzukommen. Als er es dann auch noch wagte, einen Produzenten abzuweisen, der ihn nur für einen netten Zeitvertreib sexueller Natur engagiert hatte, war seine Karriere endgültig beendet. Henry zufolge hat sich so ziemlich jeder heterosexuelle männliche Star in Hollywood irgendwann in seiner Karriere einmal der schwulen Mafia unterwerfen müssen, um an Arbeit zu kommen. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass derartige Behauptungen extrem homophob seien, möglicherweise sogar gegen die Verhaltensrichtlinien der Agentur verstießen, und dann lachten wir zusammen, und ich bestellte ihm einen Drink.
All das habe ich übrigens erfahren, als ich Henry einmal zum Abendessen einlud und ihn dazu brachte, mir seine Lebensgeschichte zu erzählen. Erst wollte er nichts trinken, aber ich nötigte ihn förmlich. Wir sollten Freunde sein, erklärte ich, was ihn ziemlich überrascht haben dürfte, da er wohl, völlig zutreffend, ahnte, dass auch er demnächst abgesägt würde.
Henry jedenfalls, um zu seiner Geschichte zurückzukehren, saß auf einmal in L. A. auf dem Trockenen, ohne Karriere, ohne Geld und ohne Freunde. Dann lernte er Victoria kennen. Victoria war ein ehemaliges Model und angehende Ernährungsberaterin. Sie hatte einen ähnlichen Weg wie Henry hinter sich und wusste, wo dieser Weg hinführte. Nachdem sie zum Junkie abgestiegen war, wohnte sie bei einem gewalttätigen Clubbesitzer in Miami, der sie regelmäßig verprügelte, bis sie endlich die Kraft fand abzuhauen. Sie ging dahin, wo alle misshandelten Möchtegernmodels, die an der Nadel hängen, hingehen: L. A. Dort stürzte sie sich in so eine Kohlsaft-und-Kabeljauöl-Diät-Sache, die ihr, davon ist sie überzeugt, das Leben gerettet hat. Als sie Henry kennenlernte, machte sie gerade an einem dieser Institute, die ihren Sitz im ersten Stock eines Gebäudes an der Melrose Avenue haben, ihre Ausbildung zur Diplom-Ernährungsberaterin und kellnerte in einer Saftbar, in die er eines Tages betrunken hineinspazierte, um das WC zu benutzen, weil er zu der Zeit in seinem Auto lebte. Er schlief auf der Toilette ein, und Victoria musste die Tür aufbrechen, weil ihre Kolleginnen befürchteten, dass da drinnen jemand gestorben sein könnte. Als sie Henry komatös vorfand, rief sie den Notarzt und begleitete ihn ins Krankenhaus. Alles Weitere ist leicht zu erraten. Henry zog bei Victoria ein, um wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen, und aus den beiden wurde ein Liebespaar. Es ist eine wunderschöne Geschichte, so schön, dass ich größte Lust bekam,
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