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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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zwei derbe Stöße. »Du Unhold du, werd’ ich vor dir gar nicht schlafen können diese Nacht! Ich glaube, du rupfst mir wirklich meinen Schwanz.« – »Ach lieber Mann, ich fange an zu glauben, dass ich behext bin; da hatte ich wieder einen fatalen Traum: Mir träumte von einem hässlichen Königssohn, der mich liebhaben wollte und küssen, und er war so abscheulich hässlich, dass ich mich so entsetzte und mich an deinem Schwanz festhielt.« – »Nun wahrlich, er muss sehr hässlich gewesen sein, dass du mich so gezupft hast!« – »Ach ja, stelle dir vor eine Figur von kaum zwei Fuß, hinten und vorn mit einem Buckel, einem Kopf, der so breit ist, als sein ganzer missgeschaffener Leib lang ist, und darauf eine Nase, die noch mit drei anderen kleinern Nasen besetzt ist, und rote Augen.« Hierüber konnte sich der Popanz des Lachens nicht enthalten und er rief aus: »Aha, du hast den Prinzen Kabubulusch gesehen!« – »Ei lieber Mann, also gibt es solch einen?« – »Ja, und seine Mutter ist dazu eine der schönsten Frauen, die man sehen kann, und Fee zugleich.« – »Aber kann sie ihm denn keine andere Gestalt geben?« – »Nein, es sei denn, dass der Hahn, von dem ich vorhin gesagt habe, seine Gestalt wiederkriegt, dessen Mutter ihn verwünscht hat, dadurch, dass man ihm die Sporen abschneidet und sie in des Prinzen Fersen steckt. Nun aber schlafe.«
    Er tat’s, aber sie ließ ihn nicht lange schlafen, sondern riss mit aller Gewalt noch eine Feder aus und schrie dabei fürchterlich. »Ach lieber Mann, schon wieder ein schrecklicher Traum!« – »Du hörst die ganze Nacht nicht auf zu träumen und mich zu zupfen; sieh, wenn ich dir nicht so gut wäre, so fräße ich dich auf der Stelle: Ich habe heut so nicht viel gefressen und rieche beständig Menschenfleisch. Was hast du denn wieder geträumt?« – »Ich träumte, dass du ausgegangen warest, und plötzlich trat ein Fremder herein, der einen Kasten auf dem Rücken trug, worin Tag und Nacht sein sollte. Ich war neugierig und bat ihn, mich hineinsehen zu lassen, und siehe, er packte mich und wollte mich in seinen Kasten stecken: Daher muss es gekommen sein, dass ich dich so gezogen habe.« – »Was du für närrisches Zeug träumst!« – »Gibt’s denn einen solchen Mann?« – »O ja, den hab ich ja in meinem Lande!« – »Aber wie kommt es denn, dass ich ihn nie gesehen habe?« – »Das ist, weil du das Mittel nicht kennst, wodurch man ihn sieht oder gebrauchen kann.« – »Was muss man denn tun, um seiner habhaft zu werden?« – »Das ist ebenfalls ein Mittel, das von mir abhängt, denn es gehört eine Feder aus meinem Schwanze dazu. Man muss diese Feder in die Ritze des Kastens zu bringen suchen: Alsbald geht der Mann mit dem Kasten, wohin man will, und tut, was man ihm befiehlt. Jetzt aber, hoffe ich, wirst du mich schlafen lassen und nicht mehr träumen; denn die Nacht ist bald zu Ende.«
    Er entschlief wieder, die Frau nicht faul, riss ihm die sechste Feder aus. Er schalt fürchterlich: »Verdammtes Weib! Ich glaube wirklich, dass du besessen bist.« – »Ach lieber Mann, ich weiß nicht, wie ich diese Nacht mit ungeheueren Träumen geplagt bin: Eben träumte ich, dass in deiner Abwesenheit hier Leute hereinkamen, die mir sagten, dass sie ein Schiff hätten, das so gut zu Lande als zu Wasser ging; und ob ich es nicht sehen wollte? Als ich herausging, wollte mich einer packen und in das Schiff setzen; daher meine Angst. So ein Schiff gibt es aber wohl nicht?« – »O ja, und es gehört mir, es kann niemand sich desselben bedienen, es sei denn, dass er eine Feder aus meinem Schwanz hätte.« – »Wenn dies nun wäre, würdest du denn nicht mit deinen andern Federn dagegen wirken können?« – »Nein, weil mein Schwanz nur sechzig Federn hat und sie alle sechzig ihre eigene Bestimmung haben; und wenn man mir eine Feder auszöge mit dem Gedanken von einer dieser Bestimmungen, so träfe man immer die dazugehörige, sodass ich alsdann keine Macht mehr darüber hätte.« – »Wie findet man aber das Schiff?« – »Man kann nicht fehlen; man legt die Feder vor sich an die Erde nieder, sogleich erhebt sie sich und fliegt ganz langsam zu dem Ort hin, wo das Schiff steht: Hier

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