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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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lässt sie sich herunter und man nimmt sie und pflanzt sie als Fahne auf den Mast, worauf es so gut zu Lande als zu Wasser geht. – Nun aber sage ich dir, störst du mich noch einmal, so binde ich dich an die Bettstolle, damit ich Ruhe vor dir habe.«
    Er drehte sich um und schlief, aber nicht lange, denn die Frau zögerte nicht, ihm auch die siebente und letzte Feder auszureißen. Worauf er aufsprang und sie wirklich anbinden wollte. Sie bat und liebkoste ihn aber so viel, dass er sich wieder beruhigte. Sie versprach ihm heilig, es nicht wieder zu tun, sie wollte lieber die ganze Nacht wach bleiben, um den bösen Träumen zu entgehen. »Nun, was hast du denn schon wieder geträumt?« – »Es war mir, als wenn ich von einem fremden Mann entführt würde, und zwar mit meinem Wissen und Willen. Könnte das wohl geschehen, und ohne dass du es merken würdest?« – »Es könnte wohl gehen: Aber wehe dir und dem, der es unternähme! Ihr wäret beide des Todes: Es wäre denn, dass er die Feder hätte, wodurch ich dich halte, und was freilich nicht gut wäre für mich, wiewohl für viele andere, denn dein Gemahl, der Prinz, welchen du glaubst, dass ich ihn gefressen habe, ist eben der Prinz, welcher immer krank ist, und dein Sohn, das ist der Weinstock.«
    Mit diesen Worten schlief er, müde von dem vielen Wachen, wieder ein. Kaum hörte sie ihn schnarchen, so stand sie leise auf, zog den Pastetenbäcker unterm Bette hervor und schlich mit ihm leise zum Schlosse hinaus. Das erste, was sie taten, war in dem Wald den Zwerg aufzusuchen und mit ihm zu tun, wie sie von dem Popanz gehört hatten. So taten sie es auch mit dem Kasten, worin Tag und Nacht, und dem Land- und Wasserschiff. Sogleich setzten sie sich in dieses und fuhren fort.
    Unterdessen war es Tag geworden und der Popanz erwachte. Als er seine Frau vermisste, fiel es ihm aufs Herz; er besah seinen Schwanz und da er seine Federn zählte, ward ihm alles klar. Sogleich fasste er die Feder an, welche ihm alles offenbarte, und erfuhr dadurch die Flucht seiner Frau mit dem Pastetenbäcker. Er war außer sich vor Bosheit und Wut und wollte schier von Sinnen kommen; er schwor, sie zu verfolgen und sich zu rächen, und sollte er auch darüber seinen ganzen Schwanz einbüßen. Er säumte auch nicht lange und machte sich gleich fertig. Er nahm eine Feder, biss darein und sogleich waren mehr als hunderttausend Soldaten zu Pferde hinter dem Schiff mit den Flüchtigen her. Aber die Frau, die das merkte, warnte den Pastetenbäcker und ließ sie dem Schiffe ganz nahe kommen: Alsdann befahl er dem Riesen, sie alle zu nehmen und hundert Klafter tief in die Erde zu schmeißen. Das geschah auf der Stelle, und alle verschwanden mit Ross und Mann.
    Als dies der Popanz sah, biss er in eine andere Feder, und sogleich wurde das Schiff verfolgt von einem Heer Schlangen, Eidechsen, Kröten und anderem giftigen Gewürm. Der Pastetenbäcker steckte in der Angst noch eine von den Federn auf den Mastbaum, und das Schiff flog, wenn es vorher nur ging, und das Gewürme aber immer stärker hinterdrein. Endlich kamen sie an einen großen See. Hier befahl er dem Schiff stillzustehen, und sowie das Ungeziefer nahe genug war, ließ er den Kasten drehen und finstere Nacht machen. Kaum war das geschehen, so fuhr das Schiff wieder von dannen: Das Gewürm aber verfolgte und fiel alles in das Wasser. Unterdessen kamen sie in das Königreich; denn der Popanz hatte sie nicht weiter verfolgt, weil er gewiss glaubte, die Tiere würden sie einholen und zu Tode quälen. Der Pastetenbäcker ließ den Riesen das mit seinen Bewohnern versteinerte Schloss umkehren, berührte seine geliebte Prinzessin mit der Feder und sogleich erwachte sie samt allen aus der Erstarrung.
    Die beiden Geliebten freuten sich des lebendigen Wiedersehens und umarmten sich inbrünstig. Der König, gerührt über die treue Liebe und über den Mut und die Standhaftigkeit seines und ihres Erlösers, dagegen erzürnt über die Untat des Prinzen, gab sogleich seine Einwilligung in die Vermählung der beiden Geliebten. Sein neuer Eidam dankte für diese Güte, bat aber noch um einen kurzen Urlaub, indem es ihm obläge, noch die anderen von den auferlegten Verzauberungen zu befreien, ehe er würdig wäre, die Hand der geliebten Prinzessin zu empfangen. Es ward ihm, wiewohl nicht zu gern, gestattet.

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