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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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wilden Tiere haben es zerrissen!« Da lobte ihn der König und entließ ihn mit reichen Geschenken
    Der Knabe aber wuchs heran mit den anderen Kindern des Hirten, zog mit ihnen hinaus auf die Berge und half die Schafe des Königs hüten. Er war in allen Dingen sehr geschickt und keiner konnte schönere Rohrpfeifen verfertigen und lieblicher auf dem Horn blasen als er. Dabei war er sehr mutig und gewandt und kletterte auf die höchsten Bäume. Der Hirt, den er für seinen Vater hielt, hatte ihm eine Armbrust geschnitzt; damit ging er in den Wald und schoss Vögel und andere kleine Tiere. Er wusste auch allerlei Schlingen zu stellen, worin er Vögel fing; er zähmte sie und sie folgten ihm, wo er ging.
    Eines Tages war er wieder in dem Walde; da sah er in einem Busch eine Goldamsel sitzen. Sobald sie ihn wahrnahm, flog sie auf einen anderen Baum, und da er ihr immer begierig folgte, so lockte sie ihn weiter und weiter von seiner Herde ab in den Wald hinein. Die Goldamsel aber blieb immer sitzen, bis er ganz nahe bei ihr war, und flog erst wieder fort, wenn er sie schon zu erhaschen glaubte. Weil er sie jedoch gar nicht bekommen konnte, so dachte er wieder an den Rückweg, konnte ihn aber nicht mehr finden. Er rief seinen Kameraden; doch er bekam keine Antwort. Da stieg er auf einen hohen Baum und sah in der Gegend umher; aber er konnte nichts sehen als Wald und wieder Wald. Die Sonne neigte sich jedoch schon zum Untergang. Darum stieg er herab und beschloss, hier zu übernachten und am folgenden Morgen zu den Seinigen zurückzukehren. In seiner Hirtentasche fand er noch ein paar Kartoffeln und ein Stück Brot. Er suchte sich etwas dürres Holz, zündete ein Feuer an und briet die Kartoffeln.
    Als er aber so am Feuer saß und sah, wie die Flamme knisterte und der Rauch durch die Äste emporstieg, gewahrte er oben auf einem Zweig die Goldamsel, die ihn so irregeführt hatte. »Warte!«, sagte er. »Du sollst mich nicht mehr anführen!« Da nahm er einen Feuerbrand und wollte sie damit totwerfen; aber sie fing den Feuerbrand mit dem Schnabel auf, flog herunter und legte ihn wieder aufs Feuer; dann setzte sie sich auf einen Stein Siegmund gerade gegenüber. Da merkte er, dass das keine gemeine Goldamsel sein könne, und blickte sie lange Zeit stumm an. Auf einmal aber flog der Vogel ihm dreimal um den Kopf, setzte sich in die Flammen und ein dichter Rauch verhüllte ihn ganz und gar. Aus dem Rauch jedoch erhob sich die Gestalt eines alten Mannes, der sprach: »Siegmund, folge mir!« Dann nahm er einen Feuerbrand und schritt zu einer großen Eiche, die tat sich vor ihm auf und er trat hinein. Die Eiche war innen hohl und eine Wendeltreppe zog sich tief in den Boden hinab. Siegmund folgte dem Alten. Sie kamen endlich in ein Gemach, in dem war nichts als ein großer runder Spiegel, der mit einem Vorhang bedeckt war. Den nahm der Alte weg und hieß den Knaben in den Spiegel schauen.
    Als Siegmund lange verwundert hineingeblickt hatte, fragte ihn der Greis: »Was siehst du?« – »Ich sehe ein prächtiges Gemach«, sagte der Knabe, »darin sitzt ein junger König auf dem Thron und hält einen goldenen Zepter in seiner Hand; um ihn herum aber stehen sechs Knaben und sechs Mädchen, die haben Blumenkränze in den Händen und scheinen ihm zuzurufen: ›Heil unserm König!‹« – »Dieser König wirst du einmal sein«, sagte der Alte, »wenn du tun willst, was ich dir sage!« Da versprach Siegmund, ihm gehorsam zu sein. Der Alte aber führte ihn aus dem Gemach in einen langen, langen Gang, der schließlich auf einem sehr hohen Berg endete. Es war Nacht und sie setzten sich dort auf den Rasen. Kühle Winde spielten um sie und nach kurzer Zeit schlief der Knabe ein.
    Die Sonne war eben aufgegangen und die frische Morgenluft strich über den Berg hin; da wachte der Knabe auf und sah verwundert umher; denn er wusste nicht, wo er war. Er saß in einer Laube, die von ein paar Sträuchern gebildet war, an denen sich wildes Geisblatt in die Höhe wand. Vor ihm lag eine weite, weite Ebene, die ein breiter Strom durchfloss. Eine Menge von Städten und Dörfern glänzten ihm entgegen und unten am Berg hörte er die Hirten blasen, die das Vieh auf die Weide trieben. »Ei, wo bin ich denn?«, sagte er zu sich. »Wie bin ich hierhergekommen?« Indem er aber so überlegte, sah er auf einem Baum vor

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