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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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herbei, ließ wieder anspannen und gelangte glücklich am Ende der Station zur Herberge. Noch hätte ich anführen sollen, dass eins von den Pferden, welches sehr mutig und nicht über vier Jahre alt war, ziemlichen Unfug machen wollte. Denn als ich meinen zweiten Sprung über die Hecke tat, so verriet es durch sein Schnauben und Trampeln ein großes Unbehagen an dieser heftigen Bewegung. Dies verwehrte ich ihm aber gar bald, indem ich seine Hinterbeine in meine Rocktasche steckte. In der Herberge erholten wir uns wieder von unserem Abenteuer. Der Postillion hängte sein Horn an einen Nagel beim Küchenfeuer und ich setzte mich ihm gegenüber.
    Nun hört, Ihr Herren, was geschah! Auf einmal ging es: Tereng! Tereng! teng! teng! Wir machten große Augen und fanden nun auf einmal die Ursache aus, warum der Postillion sein Horn nicht hatte blasen können. Die Töne waren in dem Horne festgefroren und kamen nun, so wie sie nach und nach auftauten, hell und klar, zu nicht geringer Ehre des Fuhrmanns heraus. Denn die ehrliche Haut unterhielt uns nun eine ziemliche Zeit lang mit der herrlichsten Melodie, ohne den Mund an das Horn zu bringen. Da hörten wir den preußischen Marsch – Ohne Lieb’ und ohne Wein – Als ich auf meiner Bleiche – Gestern Abend war Vetter Michel da – nebst noch vielen andern Stückchen, auch sogar das Abendlied: Nun ruhen alle Wälder – Mit diesem letzten endigte denn dieser Spaß, so wie ich hiermit meine russische Reise-Geschichte abschließe.

Prinz Siegmund
    Es war einmal ein König, der hieß Christoph und beherrschte eine große, fruchtbare Insel im weiten Meer. Seine Gemahlin aber gebar ihm ein Söhnlein; das nannte er Siegmund. In jenem Land wohnten drei Schwestern auf einem Berg, die waren so alt, dass auch die ältesten Leute der Insel sie nicht jung gesehen hatten. Sie verstanden das Verborgene zu offenbaren und hatten einen Spiegel, in dem war die Zukunft abgebildet. Sie konnten also einem jeden voraussagen, was ihm in späteren Jahren Wunderbares widerfahren werde. Drum wurden sie in großen Ehren gehalten, und wenn Eltern mit einem Söhnlein oder einem Töchterlein beschenkt wurden, so gingen sie zu den drei Schwestern; die sagten ihnen, was aus ihrem Kinde werden würde. Daher ging auch der König Christoph einige Zeit darauf zu den drei Schwestern und sprach: »Ich habe gehört, dass ihr das Verborgene offenbart und in dem Spiegel der Zukunft seht, was einem jeden begegnen wird; so sagt mir doch, was wird aus meinem Söhnlein werden?« Da schüttelten die drei Schwestern ihre grauen Häupter, sahen in den Spiegel und sprachen: »Dein Sohn wird dich nicht kennen, und wenn er dich kennt, wird er dich umbringen!« Da fasste der König Christoph einen schweren Hass gegen das Kindlein, ging heim und ließ seinen Schäfer rufen; der weidete des Königs Schafe auf den Bergen. Dem sagte er: »Dies Kind nimm und leg es in den wildesten Wald, wo die reißenden Tiere hausen, und sieh morgen wieder nach; wenn sie es gefressen haben, so bring mir als Zeichen ein paar Knöchelchen mit!« Das versprach ihm der Hirte zu tun und trug das Kindlein hinaus in den wilden Wald. Wie er es aber hinsetzen wollte, da jammerte ihn des armen Geschöpfs und es reute ihn, dass er dem Willen des Königs nachgegeben hatte. »Wie wäre es«, dachte er, »wenn ich das Kind heimlich erzöge? Der König kann nicht wissen, ob es mein rechter Sohn ist oder nicht; denn wir wohnen so abgelegen und einsam, dass niemand auf die Spur kommen wird, und so habe ich doch ein armes Kind vom schmählichen Tod gerettet.« Da nahm er das Kind und trug es heim zu seiner Frau und sagte ihr: »Sieh, da habe ich draußen im Wald ein Kind gefunden; es hat mich gejammert, dass es so verlassen umkommen soll; drum hab ich’s mitgebracht; ich denke, wo sechse essen und schlafen, da wird wohl auch noch das siebente Platz finden!« Seine Frau war damit zufrieden, gab dem Kindlein Milch zu trinken und kochte ihm einen Brei von Hafermehl; dann machte sie ihm ein Bettlein hinter dem Ofen und pflegte es wie ihr eigenes Kind.
    Der Hirt aber ging den folgenden Tag auf den Berg; dort hatte er einmal ein Schäfchen begraben, das von den Felsen gestürzt und gestorben war; davon nahm er ein paar Knöchelchen und brachte sie dem König.
    Â»Das sind des Kindes Knöchelchen«, sagte er, »die

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