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Der Große Fall (German Edition)

Der Große Fall (German Edition)

Titel: Der Große Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Handke
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wäre ein Umhang aus kostbaren Süd- oder Sonstseemuscheln. Ein Haufen gedecktweißer Kalksteine wäre glattgeschliffen zu einem Schatz aus Elfenbein. Ein leeres Wespen- oder Hornissennest, zwischen Reisig im Wind hin und her rollend, wäre ein anderer verlorener Schatz, ebenso wie eine schillernde Schlangenhaut, auch sie im Wind an einem Strauch wehend, ein Wertgegenstand, und ein goldfarbener toter Käfer ein echt goldener ägyptischer Skarabäus, und ein ausgebleichter Insektenpanzer eine Miniaturstatue des Buddha im Lotussitz.
    Und der Sinn solch eines Lehrpfads? Die Betrachtung, die ausführliche, des Irrtums, des irrtümlich für etwas Findenswertes Gehaltenen, des Irrtumsbewirkers, des Irrtumsgegenstandes, nach dem Innewerden der Täuschung. – Und was schaute bei einer solchen Irrtumsbetrachtung heraus? Waren die Irrtumsdinge, die Birkenrinde, der Glimmer – das »Katzensilber« –, das Hornissennest, mausgrau,zerfleddert, beim näheren Beäugen, nicht eher wertlos? – Doch, sie stellten einen Wert dar. Der Blitzmoment, der die Erkenntnis des Irrtums begleitete, hätte den Blick geschärft, und die Irrtumsgegenstände gewännen den Anschein von Studienobjekten. Sie würden zu Neuigkeiten, unbekannten, bisher jedenfalls nicht so gesehenen. – Wie »so«? – In dem nachwirkenden Irrtumsblitz hätte sich um die Irrtümer ein Hof gebildet, in dessen Mitte die Bucheckern, der goldfarbene Käfer, der Wildschweinkot scharf ausgeleuchtet wären, unter einer speziellen Lupe. – Und? Was dann? Was damit anfangen? Was war der Wert einer von seiner Umgebung isolierten, scharf ausgeleuchteten bleichen Insektenhülse? Wie hoch? Wieviel Yen oder Rupien? Den Marktwert her, bitte schön! – Das Irrtumsobjekt für sich: wertlos. Der Wert seiner Betrachtung: unschätzbar. Er läge in der Betrachtung, im Betrachtenkönnen, im Übergang vom achtlosen Hinschauen zum achtsamen Betrachten, und in der Folge eben Lernen, anders gesagt, Insichaufnehmen der zum ersten Mal, mithilfe des Irrtums, offenbar werdenden Formen, Farben der Gestalt des Irrtumsgegenstands, ein Insichaufnehmen des Blattgelbs, der Struktur der Blütenschnüre, des Musters im Schaum der Eichenwurzelmulde, ein Aufnehmen all dieser unschätzbaren Reichtümer erstmals und auf Dauer – »sonst wäredas ja nicht mein Lehrpfad, oder?«. – Da ist klar zu merken, daß du schon als Kind damit gespielt hast, Erfinder zu werden. Und hast schon seinerzeit nichts Praktikables und Patentes im Sinn gehabt, oder? Was hätte wohl dein Vater zu deinem Irrtumslehrpfad gemeint? – Seinerzeit hätte er die Brauen gehoben. Heute ebenfalls, nur anders … Und im übrigen ginge so ein Lehrpfad über das Erlernen und Aufnehmen der Naturgegenstände, oder der Farbformen in einem Wald, hinaus: Was sich zwischen dir und der Natur abspielt, gilt ja in ähnlicher Weise für dein Leben quer durch die Welt. Dein Suchen, Finden, Verlieren, Im-Kreis-Gehen, Verwechseln in der Natur und durch die Natur hat Symbolkraft. Die Naturvorgänge sind symbolisch. – Hast du nicht ein anderes Wort statt »Symbol«? – Ja: Beispiel. Die Natur spielt Beispiel. Der Irrtumslehrpfad im Wald, die Vorspiegelungen in der Natur stellten Beispiele dar, und klar.
    In seinem Sinnieren weiterhin querwaldein, vielleicht auch im Kreis, fand sich der Schauspieler unversehens vor einem mannshohen Baumstrunk. Und ebenso unversehens ging durch diesen ein Ruck. Der Strunk fuhr herum und zeigte das Gesicht eines Menschen, eines Mannes, eines alten. Obwohl der Schauspieler gemächlich dahergekommen war, mit gleichmäßigem Schritt, und durch sein Über-Stock-und-Stein-Gehen schon von weitem zu hören, hatte er den Greis da sichtlich erschreckt. Darauf aus, möglichst lange im Menschenleeren zu bleiben, war der Schauspieler jemandem in die Quere geraten, der dessen offenbar noch um einige Grade bedürftiger war. Wie zur Entschuldigung rasch einen großen Bogen um den einsamen Steher gemacht und weg durch das nächste Dickicht. Für eine Sekunde nur hatte er das Gesicht des andern vor sich gehabt, der wandte sich gleich wieder ab und nahm seine vorige Haltung ein. Doch eine Sekunde konnte lang sein. Und diese jetzt war so eine andauernde, worin von dem alten Menschen einiges auf den Schauspieler überging, in einer stillen und mächtigen Wellenbewegung. Ohne ihn nachzumachen, verwandelte er sich in den andern, in einem Ruck, mit dem sich an ihm dessen Erschreckensruck wiederholte.
    Der alte Mann war ein Aussiedler, aus

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