Der große Galaktiker
solche Handlung nicht bewundern. Aber immerhin freue ich mich, Sie bei mir zu haben, und ich danke Ihnen auch, daß Sie meine Brandwunden versorgt haben.«
Thomas kletterte behutsam auf die Füße, begutachtete erst sein rechtes, dann sein linkes Bein, wobei er gegen ein leichtes Schwindelgefühl und ein wenig Übelkeit ankämpfen mußte. »Hmmm«, stellte er sachlich fest, »kein Schmerz, aber Schwäche. Die Salbe dürfte übrigens die Wunden bis zum Dunkelwerden geheilt haben.«
»Sie sind sehr gefaßt«, sagte Ray Bartlett ätzend.
Thomas nickte mit seinem mächtigen Schädel. »Ich freue mich, daß ich lebe, und ich bin auch sicher, ich kann Sie überzeugen, daß der Kurs der Regierung, deren Minister ich bin, der einzig vernünftige ist.«
Der junge Mann lachte rauh. »Bilden Sie sich nur das nicht ein. Außerdem spielt es keine Rolle. Sie scheinen sich über unsere Lage nicht im klaren zu sein. Wir befinden uns zwölf Tage von jeglicher Zivilisation entfernt, wenn wir ein Marschtempo von neunzig Kilometer pro Tag rechnen, was ohnehin völlig unmöglich ist. Heute nacht wird die Temperatur auf minus siebzig Grad fallen, wenn nicht mehr, sie schwankt bis zu minus hundertfünfzehn und hängt von der Verlagerung von Europas Kern ab. Wie Sie wissen, ist er sehr heiß und manchmal recht nahe an der Oberfläche. Nur darum können die Menschen – und anderes Leben – auf diesem Mond überhaupt existieren. Der Kern wird von der Sonne und vom Jupiter herumjongliert; die Sonne dominiert, deshalb ist es tagsüber auch verhältnismäßig warm, und des Nachts so teuflisch kalt, wenn sich der Zug nach der anderen Planetenseite richtet. Ich erkläre Ihnen das alles, damit Sie sich ein Bild machen können.«
»Sprechen Sie weiter.«
»Wenn uns die Kälte nicht umbringt, müssen wir zumindest jeden zweiten oder dritten Tag mit einem Blutsaugergryb rechnen. Diese Bestien sind in der Lage, menschliches Blut aus weiter Entfernung zu wittern. Dieser Geruch setzt irgendeine chemische Reaktion bei ihnen in Gang, die sie vor Gier verrückt macht. Wenn sie einen Menschen erst einmal gerochen haben, ist alles aus. Sie reißen die stärksten Bäume aus dem Boden, oder graben sich durch den dicksten Fels zu den Höhlen vor. Es gibt nur eine einzige Waffe, mit der man sie erledigen könnte – ein Strahler. Aber unsere Waffen sind mit den Anzügen unterwegs zum Jupiter. Alles, was wir haben, ist mein Jagdmesser. Von all dem abgesehen, wäre unsere einzige Nahrung das Fleisch eines riesigen Grasfressers. Der wiederum läuft beim ersten Anzeichen eines größeren Lebewesens davon wie eine Gazelle, obwohl er ein Dutzend unbewaffneter Männer töten könnte, und auch schon getan hat, wenn er in die Enge getrieben wird. Sie werden sich wundern, wie hungrig man schon in kürzester Zeit werden kann. Etwas in der Luft – und wir atmen ja gefilterte Europaluft – beschleunigt die Verdauung. Innerhalb von zwei Stunden können wir bereits verhungern.«
»Sie scheinen eine etwas makabre Befriedigung darüber zu empfinden«, stellte Thomas trocken fest.
»Ich bin hier, um dafür zu sorgen, daß Sie nicht lebendig in die Siedlung zurückkommen«, fauchte Bartlett. »Das ist alles.«
Thomas hörte ihn kaum. Er hatte seine Stirn in tiefe Falten gelegt. »Je mehr Sie mir erzählen, desto mehr komme ich zur Überzeugung, daß die Menschen hier auf Europa ein recht trauriger Haufen sind und alles andere als echte Pioniere. Seit fünfzig Jahren leben sie nun schon auf diesem Mond, bauten ihre Städte mit Maschinen, betreiben ihre Minen mit Maschinen – und noch keiner ist mit dem Boden verwurzelt. Keiner hat sich bemüht, ohne die von der Erde eingeführten Luxus- und Gebrauchsgegenstände auszukommen. Sie reden davon, wie sehr sie sich abgeplagt und geschuftet haben, um eine neue Heimat zu schaffen. Pah! Ich klage sie an, Ihre sogenannten Pioniere, die hier lediglich eine irdische Stadt aufgebaut haben und ein künstliches Leben führen.
Die zweifellos nur darauf warten, sich genügend Reichtum zu schaffen, um zur Erde zurückzukehren.«
»Na und?« wandte der junge Mann grimmig ein. »Versuchen Sie doch, sich von der unfruchtbaren Erde dieses Mondes zu ernähren – oder einen Gryb mit bloßen Händen zu töten.«
»Nicht mit meinen Händen«, erwiderte Thomas nicht weniger grimmig, »sondern mit meinem Verstand und meiner Erfahrung. Wir werden zu den Fünf Städten zurückkehren – trotz aller natürlichen Hindernisse!«
Das
Weitere Kostenlose Bücher