Der große Galaktiker
darauffolgende Schweigen benützte Thomas, sich zu orientieren. Ein erster Zweifel stahl sich mit klammen Fingern seinen Rücken hinab, als Augen und Verstand die zerklüftete trostlose Felsenlandschaft betrachteten, die sich in allen Richtungen bis zum Horizont erstreckte. Nein, nicht in allen. In kaum noch sichtbarer Ferne, genau in der Richtung, die sie einschlagen mußten, erhob sich ein dunkler Vorhang düsterer Steilhänge. Er hing gegen den Schleier der Halbschwärze, die den Himmel hinter dem Horizont bildete. In der näheren Entfernung hatten sich die aufstrebenden Schroffen zu bizarren Gebilden geformt. Es besaß keine ehrfurchtgebietende wilde Schönheit, dieses Land, es wirkte in seiner finsteren Leblosigkeit, seiner Stille, nur drückend.
Er wurde sich dieser Stille mit einer Plötzlichkeit bewußt, die seinen Körper fast schmerzhaft durchzuckte. Sie schien mit einem Mal zu leben, auf das Stückchen flachen Felsen zu pressen, auf dem sie standen. Es war eine drohende Stille, die endlos anhielt, ohne Echos, nicht einmal vom Heulen eines Windes unterbrochen.
»Nimmt einen ganz schön mit, nicht wahr?« höhnte Ray Bartlett.
Thomas starrte durch ihn hindurch. »Ja«, gab er nachdenklich zu. »Ich hatte dieses Gefühl schon vergessen und nicht mehr gewußt, wieviel ich vergessen hatte. So, aber nun machen wir uns besser auf den Weg.«
Als sie vorsichtig vom Felsen sprangen, unterstützt durch die geringere Schwerkraft Europas, sagte der junge Mann: »Vielleicht verstehen Sie nun besser, wie uns bei der Aussicht zumute ist, einfach einer anderen Regierung zugeschoben zu werden. Uns, die wir unsere Städte und Heime auf diesem fernen Mond aufgebaut haben.«
»Ich bin nicht bereit«, erklärte Thomas barsch, »mich über diese Angelegenheit mit einem Mann zu unterhalten, der weder etwas von Psychologie, Soziologie, Geschichte, noch Volkswirtschaft versteht. Es gibt nichts Nutzloseres, als mit jemandem zu argumentieren, der keine fundierte Grundlagen für seine Meinung hat, sondern lediglich von Emotionen geleitet wird.«
»Wir wissen, was recht ist und menschlich«, erwiderte Ray Bartlett eisig. »Auch wir haben Wissenschaftler, Techniker und Lehrer, und ich bin hier, um dafür zu sorgen, daß der Entschluß, Sie zu töten, ausgeführt wird.«
»Ihre einzige Waffe ist ein Messer«, gab Thomas zu bedenken. »Falls Sie damit versuchten, mich anzugreifen, wäre ich gezwungen, Ihnen die Methode zu zeigen, mit denen die martischen Steppenbewohner ihre Gegner entwaffnen, die sie mit Messern anzugreifen versuchen. Sie ist wirklich sehr einfach und ausgesprochen wirkungsvoll.«
»Na und!« höhnte Bartlett. »Was würde Ihnen das viel nützen? Ich könnte Sie immer noch mit meinen bloßen Händen fertigmachen!«
Thomas verlangsamte den Schritt und blickte den anderen an. »Bei meiner reichhaltigen Erfahrung glaube ich nicht, daß Sie viel gegen mich auszurichten vermöchten. Trotzdem«, beeilte er sich zu versichern, als er den finsteren, entschlossenen Gesichtsausdruck des anderen bemerkte, »möchte ich mich für meine provozierende Bemerkung entschuldigen. Sie könnten meine Worte zu Recht als Herausforderung verstehen. Tatsächlich sind alle Drohungen, so sehr man sie auch mit Vernunftsgründen und moralischer Genugtuung ummantelt, Herausforderungen. Die Geschichte beweist, daß solche Provokationen unausbleiblich physische Konflikte heraufbeschwören. Sagen Sie mir, was sind Sie eigentlich von Beruf?«
»Metallurge«, erwiderte Ray Bartlett kurz.
»Oh«, Thomas’ Stimme klang erfreut. »Ich sehe schon, ich habe Sie unterschätzt. Keiner wird besser als Sie die metallurgische Seite der martischen Übernahme Europas verstehen.«
»Mars wird Europa nicht bekommen«, schnaubte Bartlett. »Außerdem erreichen Sie mit Schmeichelei bei mir überhaupt nichts. Ich sehe durch Ihre sogenannten Vernunftsgründe hindurch.«
Thomas ignorierte seinen Einwand. »Lassen wir Zahlen sprechen«, schlug er vor. »Die Erde verarbeitet jährlich zehn Milliarden Tonnen Stahl, Mars zwei Milliarden …«
»Das ist einer der Gründe«, unterbrach der junge Mann ihn, »daß die Martier einen Krieg mit uns nicht riskieren würden. Wir verkaufen ihnen die Hälfte ihres Stahlbedarfs. Wenn wir das unterbinden, könnte ihre Industrie nicht einmal die normale Nachfrage decken, viel weniger den Kriegsbedarf. Wir können ihnen das Messer an die Brust setzen.«
»Genau da irren Sie sich. Ihre Überlegungen sind eine reine
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