Der große Galaktiker
Sie?«
»Was fressen sie sonst noch?«
»Jupitergras.«
»Sonst nichts?« drängte er. »Denken Sie schon endlich nach.«
»Ich verbitte mir diesen Ton«, fauchte Bartlett. »Was wollen Sie überhaupt?«
»Tut mir leid – der Ton, meine ich. Was trinken die Tiere?«
»Sie schlecken am Eis. Darum halten sie sich auch immer in Flußnähe auf. Während der kurzen jährlichen Schmelzperiode fließt das Wasser aus den Wäldern in die Flußbetten, wo es gefriert. Das einzige andere, was sie sonst noch fressen, ist Salz. Wie die Tiere auf der Erde benötigen sie unbedingt Salz, das hier allerdings sehr knapp ist.«
»Salz! Das ist es!« rief Thomas erregt. »Wir müssen sofort umkehren. Vor ungefähr einem Kilometer sind wir an einer Stelle mit Steinsalz vorbeigekommen. Wir müssen uns welches holen.«
»Umkehren! Sind Sie verrückt?«
Thomas blickte ihn eisig an. »Hören Sie, Bartlett. Vor einer Weile sagte ich, ich wüßte nicht, ob ich den Steilhang schaffe. Seien Sie unbesorgt, ich schaffe ihn. Und ich schaffe auch den heutigen und den morgigen Tag und die weiteren zwölf, fünfzehn oder zwanzig Tage. In den zwölf Jahren, seit ich Kabinettminister bin, habe ich an die zehn Kilo angesetzt. Verdammt, mein Körper wird sich davon ernähren, und ich werde noch bei Kräften sein und frisch dahinziehen, während Sie mir taumelnd wie ein betrunkener Seemann folgen. Ich werde noch leben, wenn Sie schon unter der Erde liegen. Wenn wir jedoch einen Grasfresser erlegen und anständig essen wollen, brauchen wir Salz. Ich habe Salz gesehen, und wir dürfen uns diese Chance nicht entgehen lassen. Also kehren wir um.«
Sie funkelten sich an mit der wilden Wut von Männern, deren Nerven zum Zerreißen gespannt sind. Dann holte Bartlett tief Atem und keuchte:
»Ich habe keine Ahnung, was Sie vorhaben, was immer es jedoch ist, ich halte es für verrückt. Haben Sie schon mal einen Grasfresser gesehen? Er sieht aus wie eine Giraffe, nur viel größer. Er ist auch viel schneller. Vielleicht bilden Sie sich ein, Sie könnten ihn mit Salz anlocken und ihn dann mit dem Messer töten. Vergessen Sie es! Es wird Ihnen nicht einmal gelingen, in seine Nähe zu gelangen. Aber ich kehre trotzdem mit Ihnen um. Es spielt ja keine Rolle. Wir werden sterben, egal, was Sie denken. Ich wünsche mir nur, ein Gryb wird uns entdecken, dann ist es wenigstens schnell vorbei.«
»Gibt es etwas Bemitleidenswerteres und Erbärmlicheres als einen jungen Menschen, der darauf versessen ist, zu sterben?«
»Sie glauben doch nicht etwa, daß ich gern sterbe?« brauste der junge Mann auf. »Ich hatte etwas, wofür es sich lohnte, zu leben – bis Sie mit Ihrem feigen …«
Seine leidenschaftlichen Worte verstummten abrupt. Aber Thomas hatte nicht die Absicht, diese Gelegenheit ungenutzt zu lassen.
»Sicher«, sagte er sanft, »ließen Sie ein Mädchen zurück, das Sie lieben.«
Am verzweifelten Blick Bartletts erkannte er, daß er ins Schwarze getroffen hatte.
»Aber was macht es«, murmelte Thomas. »Sie wird einen anderen heiraten. Ein junges, hübsches Mädchen findet schnell Ersatz.«
Bartlett schwieg. Thomas wußte, er hatte in seinem Begleiter eine recht unangenehme Gedankenkette ausgelöst, aber er kannte keine Skrupel. Es war von äußerster Wichtigkeit, daß er den Lebenswillen in ihm anfeuerte. In der bevorstehenden Krise mochte Bartletts Hilfe den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen.
Es war seltsam, das Redebedürfnis, das Thomas befiel, während sie sich mühsam zu dem Salzstein zurückkämpften. Es war, als befände sich seine Zunge, ja sein ganzer Körper, in einem Rauschzustand. Trotzdem kamen seine Worte, wenn auch schnell, so doch klar und verständlich und von einer Logik diktiert, die den Jüngeren zu überzeugen versuchte.
»Sehen Sie es doch einmal aus dieser Sicht. Ihre Leute haben in einer Zeitspanne von über fünfzig Jahren fünf Städte gebaut mit einer Gesamtbevölkerung von einer Million. Sie fördern aus ihren Minen einhundert Millionen Tonnen Stahl, eintausend Tonnen Platin und ungefähr hundert Millionen Tonnen andere Metalle – insgesamt demnach zweihundert Millionen Tonnen. Natürlich pro Jahr.
Ihre Fachleute berechneten, daß Europas Bodenschätze in etwa tausend Jahren erschöpft sein werden. In anderen Worten: auf diesem Mond lagern alles in allem zweihundert Milliarden Tonnen Metall, was gleichbedeutend mit einem Normalbedarf der Erde von zwanzig Jahren ist. Der Wert dieser
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