Der Große Krieg: Die Welt 1914 bis 1918
Bergungsaktionen unter feindlichem Feuer. Das Ausgeliefertsein an ein gewaltiges und zerstörerisches Geschehen war im Fall von Seeschlachten noch größer als bei Landschlachten, denn auf den Schiffen gab es weder Schutz noch Entrinnen.
Obwohl die Schlacht bis dahin für die Deutschen vergleichsweise günstig verlaufen war, befanden sie sich in einer prekären Lage. Sie mussten davon ausgehen, dass die britische Überlegenheit schon bald ihre volle Wirkung entfalten würde, zumal sie sich in einer taktisch ungünstigen Position befanden: Sie liefen ja noch immer direkt auf die von Jellicoe gezogene T-Linie zu. Auch hatte Vizeadmiral Hipper zwischenzeitlich sein Flaggschiff, die
Lützow
, verlassen müssen, da er von ihm aus infolge der schweren Treffer, die es erhalten hatte, den Verband nicht mehr führen konnte. Hipper wollte mit seinem Stab deshalb auf einem Torpedoboot zum Schlachtkreuzer
Moltke
übersetzen. In dem schweren feindlichen Feuer war dies jedoch nicht möglich, und so wurde das Aufklärungsgeschwader über längere Zeit vom Kommandanten der
Derfflinger
geführt. Um der gefährlichen T-Linie zu entkommen, gab Scheer um halb sieben Uhr abends seiner Flotte den Befehl zur Gefechtskehrtwendung; hierbei mussten die hintereinander in Kiellinie fahrenden Schiffe gleichzeitig wenden und in umgekehrter Reihung auf Gegenkurs gehen. Das war ein äußerst schwieriges Manöver, weil wegen des geringen Abstands der Schiffe eine hohe Kollisionsgefahr bestand. Aber es gelang, und so ging die gesamte deutsche Kriegsflotte innerhalb kurzer Zeit auf Kurs Südwest. Da Jellicoe das Gefechtsfeld nicht überblicken konnte, erkannte er die Absetzbewegung der Deutschen zunächst nicht und setzte ihnen nicht entschlossen nach. Er konnte allerdings davon ausgehen, dass die
Grand Fleet
bei Beibehaltung ihres Kurses – sie fuhr in südöstlicher Richtung auf Jütland zu – die Deutschen vor den schützenden Minengassen von Horns Riff einholen und erneut zur Schlacht stellen würde. Außerdem waren die britischen Geschwader schneller als die der Deutschen, sodass ihnen zumindest deren ältere Schiffe zur Beute fallen würden. Gegen sieben Uhr abends gab Scheer jedoch erneut das Kommando zur Gefechtskehrtwendung; die deutschen Schiffe fuhren nun in gerader Linie nach Osten und griffen die Briten ein weiteres Mal an. Damit fuhr Scheers Flotte aber ein zweites Mal auf die britische T-Linie zu, von der sie sich bald darauf in einer dritten Kehrtwende wieder absetzte und nach Südwesten fuhr. Diesmal verband Scheer das Manöver mit dem Befehl an die Torpedoboote, die britische Flotte geschlossen anzugreifen. Diese Attacke beeindruckte Jellicoe so, dass er seinen Verband abdrehen ließ. Infolge der beiderseitigen Manöver entfernten sich beide Flotten nun schnell voneinander, womit das Hauptgefecht beendet war.
Das Bild zeigt die gewaltige Feuerkraft eines Schlachtschiffs, hier ein deutsches Großkampfschiff beim Abfeuern einer Breitseite während der Skagerrakschlacht am 31 . Mai 1916 .
Inzwischen war die Dunkelheit hereingebrochen – zum Glück für die Deutschen, denn um in das südöstlich gelegene Wilhelmshaven zurückzukehren, mussten ihre Schiffe die Linie der
Grand Fleet
kreuzen, die inzwischen in Richtung Südwesten gewendet hatte, um Scheers Flotte den Rückweg abzuschneiden. In dieser vierten Phase der Schlacht folgten nur noch einige Nachtgefechte, in deren Verlauf beide Seiten weitere Verluste erlitten, es aber nicht mehr zu großen Kämpfen kam. Bei einem dieser Gefechte wurde das Linienschiff
Pommern
schwer getroffen und versank mit seiner gesamten Besatzung von rund achthundertfünfzig Mann. Ähnlich erging es dem älteren Kreuzer
Frauenlob
und dem britischen Kreuzer
Black Prince
. Auch die schwer getroffene
Lützow
schaffte den Weg in den Heimathafen nicht mehr und musste, nachdem die Besatzung auf Torpedoboote evakuiert worden war, aufgegeben werden. So lief die große Seeschlacht allmählich aus. Mit der
Pommern
und der
Lützow
hatten die Deutschen zwei große Schiffe verloren. Dem standen britische Verluste von sechs Großkampfschiffen gegenüber.
Insgesamt hatten die Briten fast das Doppelte an Schiffstonnage verloren und zweieinhalbmal mehr Tote zu beklagen als die Deutschen. Dafür war ihr Munitionsverbrauch um ein Viertel höher als der deutsche. Man konnte also sagen, dass sich die Deutschen wacker geschlagen hatten. Mehr aber auch nicht. Das Kräfteverhältnis zwischen Briten und Deutschen hatte sich
Weitere Kostenlose Bücher