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Der Große Krieg: Die Welt 1914 bis 1918 (German Edition)

Der Große Krieg: Die Welt 1914 bis 1918 (German Edition)

Titel: Der Große Krieg: Die Welt 1914 bis 1918 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Münkler
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vor allem auch den deutschen Volkskörper befallen.» Auch für Sombart ist der Krieg also ein Akt der Selbstreinigung und ein Kampf gegen Verfall und Niedergang. Beides habe vor dem Krieg unaufhaltsam um sich gegriffen, sogar die Besten unter den Deutschen seien deshalb in einen tiefen Pessimismus verfallen: «Wir hatten die feste Überzeugung gewonnen, daß es mit der Menschheit zu Ende sei, daß der Rest ihres Daseins auf der Erde ein überaus unerfreulicher Zustand der Verpöbelung, der Verameisung sein werde, daß der Händlergeist sich überall einzunisten im Begriffe stehe und daß ‹die letzten Menschen› heraufkämen, die da sprechen: wir haben das Glück erfunden und blinzeln.» Dann aber sei der Krieg gekommen und habe die Deutschen gerettet, auf dass diese die Menschheit erlösen würden. [424]

4. Der festgefahrene Krieg

Der abgewehrte Stoß in den «weichen Unterleib» der Mittelmächte: Gallipoli
    Hat die ‹innere Linie› den Vorteil, dass der auf ihr Operierende seine Truppen schnell verschieben und dementsprechend seine Kräfte konzentrieren kann, so besitzt der auf der ‹äußeren Linie› Agierende die Möglichkeit, auch und gerade dort anzugreifen, wo die andere Seite nicht damit gerechnet hat oder wo sie keine hinreichende Abwehr organisieren kann, kurzum: wo ihre Schwachpunkte liegen. Von den drei großen Mächten der Triple Entente waren vor allem die Briten auf der Suche nach solchen Schwachpunkten. Das hatte mit ihrer Tradition als Seemacht zu tun, die Landmächte dort attackiert, wo sie schwach sind, und die den direkten Angriff auf die starken Positionen meidet, war aber auch die Folge dessen, dass die Deutschen Großbritannien mit militärischen Mitteln nicht ‹in Zugzwang› bringen konnten. Im Unterschied dazu mussten sich die Franzosen auf die großenteils über ihr Staatsgebiet verlaufende Front konzentrieren, und die Russen mussten, auch wenn sie weit nach Galizien vorgestoßen und ihren habsburgischen Gegner bis an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hatten, immer mit einem deutschen Angriff rechnen. Die französischen und russischen Kräfte waren, ebenso wie die Deutschlands und Österreich-Ungarns, auf den jeweiligen Kriegsschauplätzen gebunden. Nur die Briten hatten noch eine Hand frei: Zwar stand der Großteil ihrer Landstreitmacht in Frankreich und musste dort bleiben, wenn man nicht eine Krise des Bündnisses und womöglich eine folgenreiche Niederlage der Franzosen riskieren wollte, aber die in Ägypten befindlichen, aus Neuseeland und Australien herangeführten Truppen waren disponibel. Außerdem wurden keineswegs alle Großkampfschiffe der
Royal Navy
gebraucht, um die Nordsee für deutsche Handelsschiffe zu blockieren. Natürlich gab es auch in London Politiker und Militärs, die alle verfügbaren Kräfte an die Front in Frankreich schicken wollten, aber es gab auch solche, die befürchteten, man werde dort bei hohen Verlusten nur kleine Erfolge erringen, und die deswegen nach den Stellen suchten, wo man einen
indirect approach
ansetzen konnte. Der politisch einflussreichste Repräsentant dieser Gruppe war Winston Churchill.
    Churchill war sich darüber im Klaren, dass sich die Briten an den Schlachten in Frankreich beteiligen mussten, aber er wollte die Dauer dieser Schlachten verkürzen, indem er den Mittelmächten Schläge in ihren nur wenig geschützten Unterleib versetzte, die ihnen die Luft rauben und zu ihrem allmählichen Zusammenbruch führen sollten. Was Churchill suchte, war eine Mitte zwischen der langsam und eher still wirkenden Handelsblockade durch die Flotte und den verlustreichen Schlachten, die vom Britischen Expeditionskorps in Nordfrankreich und Flandern geschlagen wurden. Die Mitte, die Churchill schließlich fand beziehungsweise unter verschiedenen Möglichkeiten favorisierte, war die Kombination eines mit Kriegsschiffen geführten Durchbruchs bei den Dardanellen mit einem amphibischen Landungsunternehmen, das den Durchbruch von Land her absichern sollte. Die beiderseits der Durchfahrt postierten türkischen Küstenbatterien sollten durch die schwere Schiffsartillerie ausgeschaltet werden, während die angelandete Infanterie die Reste der türkischen Verteidiger niederkämpfte, ihre Stellungen besetzte und so die Durchfahrt sicherte. [567] Man entschied, die Infanterie auf der europäischen und nicht der kleinasiatischen Seite der Dardanellen (wo das wenige Jahrzehnte zuvor ausgegrabene Troja lag) anzulanden, weil es den türkischen

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