Der Große Krieg: Die Welt 1914 bis 1918 (German Edition)
ziehen. Hood folgte ihm jedoch nicht, sondern zog sich auf die
Grand Fleet
zurück, deren Anmarsch Hipper infolge seines Wendemanövers nicht bemerkt hatte. Nun fuhren also, ohne zu wissen, wen sie vor sich hatten, beide Hauptflotten aufeinander zu. Damit begann die dritte Phase der Schlacht.
Die Rekonstruktion des Gefechtsverlaufs, zumal seine Gliederung in Phasen, suggeriert eine Überschaubarkeit der Abläufe, die es für die beteiligten Kommandeure freilich nicht gegeben hat: Das Sichtfeld war durch den Qualm aus den Schiffsschornsteinen, des Mündungsfeuers und der brennenden Schiffe stark eingeschränkt, und die Nachrichtenübermittlung zwischen den Einheiten und Verbänden funktionierte nur unzureichend: Zum einen waren die nach wie vor üblichen optischen Signale infolge des starken Qualms nur schlecht wahrzunehmen, und zum anderen verwendeten die im Gefecht stehenden Kapitäne und Admirale wenig Sorgfalt darauf, präzise Informationen zu übermitteln, sodass selbst manche der über Funk weitergegebenen Nachrichten mehr Fragen aufwarfen als beantworteten. [876] Vor allem Beattys Funksprüche blieben für Jellicoe rätselhaft. So bewegten sich beide Seiten in einem Halbdunkel aus Wissen und Vermutungen, und auf dieser Grundlage trafen Jellicoe und Scheer ihre Entscheidungen. Zu diesem Zeitpunkt wusste Scheer immer noch nicht, dass er die britische
Grand Fleet
vor sich hatte; Jellicoe hingegen ging trotz der unklaren Informationen, die er von den Abhörstationen auf dem britischen Festland erhalten hatte, davon aus, dass die deutsche Hochseeflotte ausgelaufen war und auf ihn zusteuerte. Er entschloss sich zu einem taktischen Manöver, das von den Briten
Crossing the T
genannt wurde, was bedeutet, dass man einen in Kiellinie fahrenden Feindverband nicht in Parallelformation angriff, sondern seine Spitze im rechten Winkel kreuzte. So konnten die britischen Schiffe die volle Feuerkraft ihrer Breitseiten entfalten, während die des Gegners nur aus ihren Buggeschützen schießen konnten.
Bei dem nun folgenden Gefecht verloren die Deutschen den kleinen Kreuzer
Wiesbaden
, auf dem auch der unter seinem Dichternamen Gorch Fock bekannt gewordene Matrose Johann Kinau den Tod fand. Bei den Briten geriet währenddessen das Schlachtschiff
Warspite
infolge Ruderversagens für längere Zeit in konzentriertes deutsches Feuer und erhielt so schwere Treffer, dass es aus dem Flottenverband ausscheiden und die Heimfahrt antreten musste. Ebenso erging es dem Panzerkreuzer
Warrior
, derweil sein Schwesterschiff
Defence
nach schweren Treffern explodierte und versank. Auf deutscher Seite hatten die Schlachtkreuzer
Lützow
und
Derfflinger
schwere Treffer bekommen, sodass durch den Ausfall von Geschütztürmen ihre Feuerkraft vermindert war. Infolge der Unterlegenheit der deutschen Seite konnten sie jedoch nicht aus dem Flottenverband entlassen werden, sondern mussten im Gefecht bleiben. Sie nahmen Hoods Flaggschiff, den Schlachtkreuzer
Invincible
, der ihnen zuvor schwer zugesetzt hatte, unter konzentriertes Feuer, wobei ihnen die Sichtverhältnisse für einen kurzen Augenblick zugutekamen. Die
Invincible
erhielt fünf schwere Treffer und wurde von einer Explosion in zwei Teile zerrissen.
Begriffe wie «Explosion», «Versinken» oder «Auseinanderbrechen des Schiffs» geben freilich kaum wieder, was sich in dieser Schlacht abspielte. Während die zum Wrack geschossene
Wiesbaden
noch stundenlang steuer- und wehrlos zwischen den Flotten dahintrieb, bis sie schließlich sank, verschwanden mehrere der gewaltigen britischen Großkampfschiffe infolge der Explosion ihrer Munitionskammern innerhalb weniger Minuten von der Wasseroberfläche. [877] Überlebende gab es dabei nur wenige: Von den beinahe eintausenddreihundert Mann Besatzung der
Queen Mary
wurden nur acht gerettet, von den etwas mehr als neunhundert Mann der
Defence
kein einziger, von den jeweils rund eintausend Mann der
Indefatigable
und der
Invincible
zwei beziehungsweise sechs. Auch von der fünfhundertneunzig Mann starken Besatzung der
Wiesbaden
hat nur ein einziger überlebt. Den Zerstörern und Torpedobooten, die zwischen den Großkampfschiffen beider Flotten hin- und herpreschten, kam die Aufgabe zu, im Umkreis der Untergangsstellen nach Überlebenden zu suchen und diese zu bergen. Währenddessen ging das Gefecht jedoch in voller Härte weiter, und da die Torpedoboote und Zerstörer immer wieder zum Angriff auf die Großkampfschiffe ansetzten, blieben sie auch bei den
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