Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große Ölkrieg

Der große Ölkrieg

Titel: Der große Ölkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
Vom Netzwerk:
längst verschüttet und vergessen, blühten wieder auf. Mit jedem Tag war es schlimmer – oder besser? – geworden. Und heute …
    Er mußte vorsichtig sein.
    Sie waren überall, und sie waren aufmerksam.
    Er öffnete die Augen wieder, lachte, und zwar so, daß es laut und deutlich hörbar und als zufriedenes Lachen erkennbar war. Dann setzte er sich in Bewegung. Fünfzehn Einheiten Pause. Bewegung, wie es die Vorschrift verlangte.
    Nicht auffallen.
    Er schritt an den Blöcken vorbei. Steril-weiße Reflexe glitzerten darüber, obwohl das Neonlicht stark gestreut aus den Deckenquellen strahlte. Vereinzelt war in der Tiefe der Maschinen geheimnisvolle Bewegung zu ahnen. Berger kümmerte sich nicht darum. Er bediente die Babys, er wußte, was er zu tun hatte, kannte jeden einzelnen Handgriff, um sie am Leben, am Arbeiten zu halten. Mehr aber auch nicht. Wie sie funktionierten – das hatte ihn nicht zu interessieren.
    Vorschrift. + + + § I der Sozialverordnung, erster Abschnitt, erste Zeile, ff.: + + + Arbeit für das Gemeinwohl. Entsorgung ist Sozialarbeit … Ihr Arbeitsplatz dient der Öffentlichkeit … Seien Sie stolz auf Ihre Arbeit, denn es ist eine Tätigkeit, die nur wenigen vorbehalten ist … Auswahlkriterien äußerst streng, A-Kode erforderlich, Einstellungsanweisungen direkt vom Kanzler für Bund und Länder. Detaillierte Kenntnisse würden zu weit führen, Sie der für Ihre verantwortungsbewußte Tätigkeit erforderlichen Konzentration und Geisteshaltung entfremden …
    Entfremden …
    Fragmentarisch, irrsinnig schnell, spulten sich die verschnörkelten Sätze des Gesetzestextes ab, ohne daß er es gewollt hätte. Er kannte den Text instinktauswendig. Auch dies war Teil der Aufnahmebedingungen gewesen. Er war zuverlässig, und er hatte es bewiesen.
    Faktor A-l-AB. Eine Einstufung, von der er damals nur hatte träumen können.
    Er erreichte die weißglänzende Tür. Die Mulde der Handflächenkennung war angenehm kühl. Er wie sich aus; die Tür glitt geräuschlos in die Wandung zurück.
    Berger atmete auf, als er in dem krankenhausähnlichen Korridor stand und die Tür hinter ihm wieder in ZU-Stellung geglitten war. Es fiel ihm jedesmal schwer, sein ‚Reich’ zu verlassen. Er kam sich wie ein Verräter vor; auch dies war jeden Prota dasselbe. Nach einhundertsechzig Arbeitseinheiten war er Teil seines ‚Reiches’, er steuerte die Babys nicht nur, er gehörte zu ihnen, haßte und liebte sie.
    Jetzt hatte er sie verlassen. Er konnte nicht ununterbrochen mit ihnen in Synthese leben, es hätte ihn umgebracht. Irgendwie tat das weh.
    Nachdenklich ging er den Korridor entlang. Ein weiter, endloser Korridor. Er war allein. In diesen Trakt verlief sich selten ein anderes lebendes Wesen. Die Wände waren mit einer zartgrünen Grasschicht bewachsen und verströmten einen beruhigenden Duft nach Frische und Freiheit und Sommer.
    Berger konzentrierte sich darauf, rief sich die Memo-Videos ins Gedächtnis zurück, auf denen die bezauberndsten Landschaften von einst festgehalten waren: Schwarzwald, Lüneburger Heide, Insel Mainau. Ein Blumenmeer. Weite, unbebaute Flächen. Heute war das unvorstellbar. Manchmal hatte er sich schon überlegt, ob diese Filme tatsächlich echt waren.
    Er kannte jedenfalls nur den kleinen Stadtwald, eine kümmerliche Ansammlung von Tannen und schlanken, weißschimmernden Birken, dazwischen spärliches, gelblich vertrocknetes Gestrüpp. Die Tannen sahen ähnlich kümmerlich aus. Die Nadeln zeigten schon seit langem eine ungesunde Kupferfarbe. Er mied diesen Ort, denn er konnte das langsame Sterben der Oase nicht ertragen. Vielleicht existierte sie auch schon gar nicht mehr.
    Dreimal den Korridor hinauf, dreimal wieder herunter, dann war seine Pause beendet. Dann begann alles wieder von vorn, dann war er wieder unumschränkter Herrscher seines ‚Reiches’. Er kannte die Handgriffe, o ja, er kannte sie sehr gut, auswendig, im Schlaf. Jeder einzelne Griff saß. Seine Konzentration war perfekt. Die Kontrollen überwachen. Den hellblauen Sichtschirm nicht aus den Augen lassen. Jede Veränderung registrieren … Dafür setzten sie keine Automaten mehr ein, denn es machte sich besser, wenn die Umdenker diese Funktion erfüllten. Die Medien hatten ganz groß über diesen Versuch berichtet. Er gluckste vor sich hin, und die Schadenfreude tat ihm gut. Scheiß-Dinger, dachte er haßerfüllt, aber nach außen hin ließ er sich dies nicht anmerken. Er wußte, daß er beobachtet wurde, natürlich,

Weitere Kostenlose Bücher