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Der große Ölkrieg

Der große Ölkrieg

Titel: Der große Ölkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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wahr?“
    Berger wußte, daß von dieser Antwort alles abhing. Er wußte es instinktiv, und er reagierte genauso, wie er wußte, daß sie es von ihm erwartete. Er blieb gleichmütig. „Sie hat es überwunden, genau wie ich, Sandra. Es ist besser so, ich sehe es ein. Ich habe meine Arbeit …“
    „Ich freue mich, daß du dieser Ansicht bist, Berger.“
    War da nicht ein … zufriedener Klang in ihrer Stimme? Er wußte, es war unmöglich, denn Sandra war eine Maschine, und Maschinen konnten keine Gefühle produzieren. – Noch nicht.
    „Du hast noch drei Einheiten Pause.“
    „Ja. Ich freue mich, hier meine Arbeit tun zu dürfen. Ich bin glücklich. Glücklich und dankbar. Es geht mir gut.“ Er rasselte es herunter, und der Haß auf sich selbst und die Angst vor ihnen vereinten sich, blähten sich wie ein Quallenwesen auf, griffen um sich, krallten sich in ihm fest. Ein wahnsinniges Wechselspiel. Haß. Angst. Angst. Haß. Gleichberechtigt? Nein. Die Angst war stärker, mächtiger, viel stärker, viel mächtiger.
    „Sandra?“
    Die Compu-Stimme schwieg.
    Vielleicht beobachteten sie ihn jetzt intensiver. Sie waren aufmerksam geworden, andernfalls hätte sich Sandra nicht eingeschaltet.
    Vielleicht hatte er die erste Prüfung bestanden. Er war ruhig und gleichgültig geblieben, als sie ihn nach dem Kind gefragt hatte. Aber die anderen Fallen , die sie ihm möglicherweise noch stellten …
    Er dachte an seine Arbeit. Entsorgung ist Sozialarbeit.
    Früher – da war er dafür auf die Straße gegangen. Früher … Wie sich das anhörte. Irgendwie lächerlich. Er sah sich selbst: Ein hagerer Bursche, Jeans, Parka, das Gesicht vermummt, weil sie jeden Demonstranten fotografierten und erkennungsdienstlich erfaßten. Er wollte in keiner weiteren Kartei landen. Es gab schon zu viele, in denen seine Daten gespeichert waren.
    Die Branche hatte expandiert. Das Problem waren die Abfälle gewesen. Haßtiraden auf beiden Seiten. Die Medien hatten ihr Scherflein dazu beigetragen. Straßenschlachten. Irgendwann sogar Bürgerkrieg. Es war schon lange her, und niemand erinnerte sich gern daran. Gewalt erzeugt Gegengewalt, dachte er. Damals hatte sich die Wahrheit dieses Spruchs bewiesen. Bullös hatten auf Demonstras eingeprügelt. Demonstras auf Bullös. Auf beiden Seiten hatte es Tote gegeben. Das alte Zorki-Spiel und die alte Weisheit. Mit Gewalt erreichte man nichts, überhaupt nichts. Die Branche hatte sich als mächtiger erwiesen, hatte den Krieg, die Nachkriegswirren überstanden – und expandierte weiter, nur das Problem mit den Abfällen war keines mehr. Es war zur Sozialarbeit geworden. Niemand regte sich mehr auf; und dafür gab es zwei Gründe. Der erste Grund: Brancheninformationen waren für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. Totaler Infostop, gesetzlich verankert. Der zweite Grund: Die Leute hatten andere Sorgen. Hunger; ein Großteil der Nahrungsmittel war cadmiumverseucht und ungenießbar. Fleisch war Mangelware: Immer kräftigere Hormonspritzen hatten die Tiere degenerieren und schließlich wie die Fliegen dahinsterben lassen. Nachschub gab es nicht; die EG-Partner hatten ähnliche Probleme.
    Und außer dem Hunger gab es noch Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, unzureichende soziale Versorgung, Seuchen, Krankheit. Alles bunt gemischt.
    Er war einer jener Männer, die es den Leuten möglich machten, daß sie sich diesen Sorgen widmen konnten. Er überwachte die sichere Lagerung der Abfalle, so, wie es Vorschrift war.
    Er diente dem Volk.
    Und sie ließen ihn diese Arbeit machen, obwohl er damals zu ihren Gegnern gehört hatte. Eine Geste der Vergebung? Eine große Geste, ja, zweifellos, darüber waren sich auch die Medien einig gewesen. Und er war ihnen dankbar.
    War er dankbar?
    Diese seltsamen Gedanken, die ihn heute verstärkt quälten … Dieses sich wie zerrissen fühlen …
    Habe ich mich kaufen lassen? fragte er sich unvermittelt.
    Ein sanfter Glockenschlag wehte durch den Korridor.
    Die Pause war zu Ende.
     
2
     
    Das Rotlicht pulsierte hektisch, schwoll an und wieder ab, anab, anab, immer schneller, immer drängender, an-ab-an-ab. Alarmierend. Eindringlich. Ein greller Summton fiel ein.
    Berger starrte auf das Licht und konnte sekundenlang nicht begreifen, daß dies der zweite Unsicherheitsfall innerhalb von dreihundert Einheiten war, dann handelte er. Seine Rechte schnellte vor, berührte den Beta-Sensorpunkt. Bildschirm A-19, auf dem die Gefahrenstelle zu sehen war, flimmerte auf. Die

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