Der große Ölkrieg
Mann“, knirschte Brunner. Die Nikotingier des Soldaten stieß ihn ab. Er machte eine verächtliche Handbewegung und sagte: „Solange sich nicht einmal die Soldaten unseres Staates an Disziplin gewöhnen können, ist die Eroberung der Ölquellen sowieso illusorisch.“
An den unerwartet aufblitzenden Augen seines Gegenübers erkannte Brunner im gleichen Augenblick, daß er etwas Beleidigendes gesagt hatte. Die Rechte des Fahnenjunkers schoß vor, traf Brunner genau in die Magengrube.
Brunner stöhnte, wankte, taumelte drei kurze Schritte nach links und fiel dann auf den hartgefrorenen Boden. Der Soldat stieß zischend die Luft aus und machte ein entsetztes Gesicht, als würde ihm erst jetzt klar, was er angerichtet hatte.
Brunner schrie um Hilfe, und gleich lösten sich drei, vier andere Gestalten aus dem Nebel und eilten mit klappernden Absätzen auf sie zu. Ein bärtiger Leutnant erkundigte sich besorgt, was geschehen sei.
„Nehmen Sie diesen Mann fest!“ tobte Brunner, wild mit den Händen gestikulierend. „Bringen Sie ihn aus meinen Augen!“ Und zu dem Fahnenjunker gewandt, im Vorbeigehen: „Wir sprechen uns noch!“
In der Hotelhalle herrschte die gleiche Atmosphäre wie in einer Bahnhofshalle am frühen Morgen: Es war kalt, düster, und die Umgebung stank nach kaltem Zigarettenrauch und Ersatzkaffee.
Viele saßen mit Hut und Mantel an den Tischen, denn auch das Heizungsnetz der Insel gab nicht mehr das her, was man an Wärme benötigte. Es hatte einen Defekt, den niemand zu reparieren verstand. Im übrigen wurde ohnehin alle verfügbare Energie des Insel-KKWs für den Schutzschirm benötigt.
Männer und Frauen saßen mit finsteren Gesichtern über Kaffeetassen gebeugt und stierten hoffnungslos vor sich hin. Im Hintergrund lief eine erregte Diskussion ab, in der man sich darum stritt, ob man versuchen solle, den australischen Präsidenten zu bitten, BP Schottland mit Atombomben zu belegen.
„Je eher die Australier zuschlagen“, schrie ein weißhaariger Mann, „desto besser! Dieses Gesindel versteht doch gar keine andere Sprache! Und wenn die Australier reinen Tisch gemacht haben, werfen wir unsere Bomben auf Australien! Nur so, sage ich!“
Brunner trat in die Runde und warf dem Mann einen kurzen Blick zu. Dieser verstummte und schien förmlich in sich zusammenzusinken. Brunner schüttelte den Kopf, ganz leicht nur, ein milder Tadel. Sie sollten wissen, daß er sie herumschreien ließ, soviel sie wollten – aber nicht in seiner Gegenwart.
„Die Junta bestimmt, was getan wird“, sagte er knapp. Das klang gar nicht mal schneidend, eher beiläufig, wie selbstverständlich. Der Mann steckte seinen Kopf noch tiefer zwischen die Schultern. Gut so – der Mann hatte begriffen. Mehr war nicht nötig.
Dann stellte er sich in Positur und verlas die neuesten Anordnungen der Junta.
3
Tycho und die Kinder trugen Steinbrecher auf den Rücken, einen hundert Zentimeter langen Vibrator, mit dem das Erz gebrochen wurde. Die Arbeit verlangte eiserne Konzentration und führte bei kleinster Unachtsamkeit zu Unfällen, konnte Verstümmelungen des eigenen Körpers herbeiführen oder das Leben des Nachbarn bedrohen.
Tychos Team war nicht zum ersten Mal zum Brechen eingesetzt worden, aber Tycho empfand jedes Mal erneut Angst davor. Sein Trost war, daß die anderen Arbeiten nicht viel ungefährlicher waren.
Sieben von zehn Teams wurden beim Abräumen des Erzes eingesetzt. Obwohl die Brocken im Wasser leichter waren als an Land, blieb es doch eine verdammt harte Plackerei, vor allem für die Kinder und Jugendlichen. Und dauernd mußte man auf der Hut sein, um nicht zwischen zwei Lastglocken zu geraten, die zwischen der Bruchstelle und der großen Tauchglocke hin und her pendelten. Wer das Pech hatte, mit dem Körper zwischen die klobigen Metalleier zu geraten, während sie träge in den Fluten schaukelten, bezahlte dies mit bösen Quetschungen. Wenn er Glück hatte. Wem der Luftbehälter, die Atemschläuche oder andere wichtige Teile des Anzuges zwischen die Glocken geriet, war unrettbar verloren.
Die Kinder hangelten sich eines nach dem anderen über die Einfassung des Wasserovals in der Mitte der Tauchglocke. Es war wie ein feuchtes Tor in die Nordsee hinaus, einfach und praktisch. Tycho glitt als letzter seines Teams in das Naß und folgte mit raschen Schwimmstößen den anderen.
Wie immer führte der kräftige, untersetzte Fiete seine Kameraden an. Er war der einzige, dem die Natur schon als Kind
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