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Der große Ölkrieg

Der große Ölkrieg

Titel: Der große Ölkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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die Lady wieder?“ rief er ihr nach.
    Sie drehte sich noch einmal um, bevor sie in der Menge verschwand. Ihr Lächeln schwebte sekundenlang zwischen den Lichtern. Als es verblaßt war, überlegte Winfried, warum er sich so dumm angestellt hatte. Ein Treffen wäre schon drin gewesen. Im besten Fall ein Treffen. Jede weitere Investition wäre umsonst gewesen – bei einer Auserwählten. Es gab nichts zu bedauern.
    Am Heimweg fiel ihm ein, daß sie ihm das Flugblatt nicht zurückgegeben hatte.
     
2
     
    Der 8. Dezember hatte Schnee gebracht. Knöcheltief bedeckte er den Rasen. Die einzigen Bäume im Resselpark, zwei riesige Platanen, trugen Weiß. Auf den Wegen und in dem Teich vor der Karlskirche, der im Winter trockengelegt war, hatte man den Schnee bereits zu einer speckig glänzenden Kruste niedergetrampelt.
    Teile der grün patinierten Kuppel der Barockkirche lugten unter dem Weiß hervor; von der glatten Oberfläche der Bronze-Plastik von Moore war der Schnee abgeglitten, das Minarett der Moschee, die man auf dem Areal der alten Technischen Universität errichtet hatte, prangte ziegelrot – ansonsten verdeckten die Flocken jede Farbe.
    Inmitten des trockenen Teiches stand ein Podium, von Lautsprechersäulen flankiert. Neben das Resseldenkmal hatte man einen Laserprojektor gestellt, der auf die Front der Moschee gerichtet war. In Riesenlettern, die das typische Spektrum kohärenten Lichtes zeigten, erschienen dort abwechselnd zwei Sätze:
     
    „NIEDER MIT DEN ÖLKAPS!“
    „HOLT EUCH FREIGAS BEI DER MOORE-PLASTIK!“
     
    Dort, nahe der Rednertribüne, wurden Haschzigaretten verteilt. Etwa hundert Mann, teils schon rauchend, teils noch wartend, scharten sich vor dem Podium.
    Winfried zwängte sich zwischen den Leuten durch, wachsam wie die anderen fünf Mitglieder der Organisation, die den Redner schützen sollten. Häufig wurden ihre Kundgebungen von radikalen Bourgos gestört, die sich als private Ordnertruppe für das System verstanden. Brutalität gehörte zu ihrer Religion.
    Wenn diese Schläger auftauchten, wurde es gefährlich. Für den Fall hatte Winfried, wie die Kameraden, einen in der Jackentasche verborgenen Schlagring an der Hand. An seinem Hosenbund hing ein Elektroknüppel.
    Es war zehn Sekunden vor Mittag. Der Redner bestieg jetzt das Podium, prüfte das Mikro und begann: „Kameraden!“
    Das Wort streifte die Versammelten und hallte. Es war genau zwölf Uhr: In die Aufmerksamkeit hinein erklang der langgezogene Singsang des automatischen Muezzin, der die Gläubigen zum Gebet rief. Der Automat stand mit ausgebreiteten Armen hinter der obersten Brüstung des Minaretts. Die Zeremonie löste sichtlich Befremden unter den Versammelten aus; um so mehr als die Litanei von dem Aufruf des Redners eingeleitet worden war („Kameraden!“) – und genau diese Wirkung hatte er beabsichtigt.
    Nachdem das Programm abgelaufen war, verstummte der Muezzin. Seine Arme klappten herunter, und er versank hinter der Brüstung. Da dröhnte schon – gleichsam als Gegensatz – die Stimme des Politredners aus den Lautsprechern.
    „Vor zehn Jahren haben die Ölkapitalisten uns diese Moschee vor die Nase gestellt, und wir haben es hingenommen. So wie wir ein Jahr zuvor den Vertrag von Riad geschluckt haben, und noch früher die Vorkaufsrecht-Bestimmung und die Öldrosselung und die Preistreiberei! Habt ihr’s vergessen? Wie war denn das mit dem wirtschaftlichen Niedergang in den achtziger Jahren …?“ Er blickte auf ein schweigendes Rund nieder. „Inflation war das! Kurzarbeit, Massenentlassungen. Und als die EG und die USA am Boden lagen, kamen sie großzügig mit ihrer Geldspritze, die Ölkaps, und sagten: ‚Klar helfen wir euch.’ Und weiter sagten sie: ‚Dafür baut ihr uns hier und dort und vielleicht dort noch ein muslimisches Zentrum in eure Städte (das schafft Arbeitsplätze!), und diesen oder jenen Konzern kaufen wir gern auf, bevor er bankrott geht.’
    So war das nämlich; um endlich einmal die Wahrheit zu sagen. Heimlich hat sich der Feind eingeschlichen, Schritt um Schritt unsere Freiheit gekürzt, ohne daß wir es bemerken wollten.
    Kaum jemand erinnert sich an die Zeit, als die OPEC nichts anderes hatte als den Ölpreis, um politische Forderungen durchzusetzen. Damals begann es; aber unsere Väter waren blind! Bereitwillig warfen sie den Ölstaaten das Geld in den Rachen. Sie konnten sich’s ja leisten, und politisch war die Arabische Liga sowieso seit 1945 uneinig, in Kriege verwickelt und

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