Der große Ölkrieg
wich ein wenig zur Seite aus. In dem Grün dicht vor ihm erschien ein milchiggelbes Geschöpf, das entfernte Ähnlichkeit mit einem Fließer hatte. Natürlich war es nicht annähernd so groß. Muruim duckte sich. Seine Flanken zitterten. Und dann sprang er. Die mächtige Kraft seiner hinteren Sprungbeine schleuderte ihn vorwärts, direkt auf den Zentralkörper des Goldhauchs zu. Das gewaltige Maul schnappte zu. Es krachte, dicke Äste brachen. Die Pranken des Metazahns gruben sich tief in den Körper, rissen ihn auf. Dickes, blaues Blut sickerte heraus und benetzte den Boden. Ein paar Augenblicke später war alles vorbei, und Muruim hatte seine Mahlzeit.
Die Verätzungen des Bewußtlosen heilten unter der Strahlung des Lebenssteins. Sein Atem ging gleichmäßiger. Dreiauge wies Muruim an, den Geretteten zu bewachen, machte sich auf die Suche nach den schmackhaften Thila-Früchten und fand dabei auch eine Silbertaukolonie, die ihnen Schutz vor den Geschöpfen der Nacht gewähren würde. Als er zurückkehrte, war die Bewußtlosigkeit des Fremden einem tiefen Schlaf gewichen. Dreiauge schleppte ihn zu einem Silbertau, sah zu, wie sich das schützende Fangnetz um ihn schloß, und legte sich dann selbst zur Ruhe.
Der Name des Fremden war Vielarm. Seinen wahren Namen nannte er Dreiauge natürlich nicht. Für so viel Vertrauen bestand auch noch kein Anlaß. Vielleicht später, wenn sie sich besser kannten …
„Ich danke dir, Bruder“, sagte Vielarm und ließ sich eine Thila schmecken. Seine Sprache klang merkwürdig, hatte eine seltsame Klangfärbung. Dreiauge vermutete, daß Vielarm die Bedeutung der einzelnen Wörter aus seinem Geist entnahm. Vielarm mußte von weither kommen und hatte sicher bis vor kurzem seine Sprache gar nicht gekannt. „Dafür, daß du mir mein Leben zurückgegeben hast.“
Der Fremde trug seinen Namen zu Recht. Er war etwas kleiner als Dreiauge. Seine Beine waren dick und kurz, schienen sehr kräftig zu sein. Die Arme dagegen waren klein und verkrüppelt. Jedoch besaß Vielarm die besondere Gabe, sich nach Belieben neue Arme wachsen zu lassen, sie mal kräftiger und mal schwächer gestalten zu können.
Dreiauge dagegen besaß nur seinen Zusatzblick und war bis auf den Buckel und unförmige Gelenke an Armen und Beinen normal gewachsen.
„Du hättest für mich sicher das gleiche getan“, gab Dreiauge höflich zurück und reichte seinem Bekannten eine weitere Frucht. Was der verdrücken konnte! „Wo ist dein Begleiter? Und wo dein Lebensstein?“
Die Miene Vielarms verdüsterte sich. „Das ist eine lange Geschichte, mein Retter. Mein Begleiter und treuer Freund starb viele Tageslängen von hier. Bis jetzt habe ich keinen neuen gefunden. Und mein Lebensstein …“ Für einen Augenblick hielt Vielarm damit inne, weiteres Fruchtfleisch in seinen Mund zu stopfen. „Ich bin schon lange auf der Wanderschaft, mußt du wissen. Sehr, sehr lange. Ich habe die Großen Seen tief im Süden gesehen. Ich war in einem Land, in dem kaum noch Bäume wachsen und der Boden mit einer kalten, weißen Schicht bedeckt ist, die, behält man sie in der Hand, zu Wasser wird. Ich habe viel gesehen. Ich habe vielen Gefahren widerstanden, dem Tod oft ins Auge geblickt. Ich bin nicht ängstlich, mein Freund, auch wenn ich gestehen muß, daß die Freßfalle, die du Goldhauch nennst, mir einen gehörigen Schrecken eingejagt hat. Aber einmal hatte ich doch wirklich Angst. Es war weit im Westen und dann noch ein Stück nach Süden, dort, wo der Dschungel sich lichtet und weiten Ebenen Platz macht. Dort gibt es Nebel, die in der Lunge beißen und die töten können, wenn man nicht achtgibt. Dort habe ich Männer und Frauen gesehen – und auch Kinder –, die tagaus, tagein an vielen, vielen Pflanzenstauden arbeiten, ja, inmitten des todbringenden Nebels. Manchmal taucht ein blitzendes Ding in der Luft auf, das summt wie ein Singstein. Oder zumindest so ähnlich. Und wenn es landet, dann stößt es Wesen aus, die uns ähneln. Aber nicht ganz. Sie gleichen sich einander, wie es nicht einmal Gleichgeborene tun. Und die Pflanzenarbeiter haben schreckliche Angst vor ihnen und tun alles, was sie sagen. Und die Gleichen haben fürchterliche Waffen! Waffen, die viel weiter reichen als dein Kurzspeer. Waffen, die manchmal nur Schmerz bringen, manchmal aber auch töten können. Offenbar sind die glänzenden Dinger, die in der Luft schweben oder auch auf dem Erdboden dahinkriechen können, ihre Begleiter. Es ist kein gutes
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