Madita
Astrid Lindgren
Madita
Deutsch von Anna-Liese Kornitzky
Zeichnungen von Ilon Wikland
Verlag Friedrich Oetinger • Hamburg
© Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 1990
Alle Rechte für die deutschsprachige Ausgabe vorbehalten
© Astrid Lindgren, Stockholm 1960
Die schwedische Originalausgabe erschien bei
Raben & Sjögren Bokförlag, Stockholm,
unter dem Titel „Madicken“
In deutscher Übersetzung erstmalig erschienen 1961
im Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg
Deutsch von Anna-Liese Kornitzky
Einband und Illustrationen von Ilon Wikland
Gesamtherstellung: Carl Ueberreuter Druckerei Ges. m.b.H., 2100 Korneuburg Printed in Austria 1990
ISBN 3-7891-4105-4
Inhalt
Ein Sommertag auf Birkenlund
7
Richard
25
Madita und Lisabet machen einen Ausflug
32
Ein ganz schöner, trauriger Tag
48
Lisabet steckt sich eine Erbse in die Nase
67
Madita probiert aus, ob sie hellsichtig ist
86
Jetzt fegt der Schneesturm durch das Land
107
Weihnachten auf Birkenlund
130
Joseph im Brunnen
147
Ein Sommertag auf Birkenlund
In dem großen roten Haus unten am Fluß, da wohnt Madita.
Dort wohnen auch Mama und Papa und die kleine Schwester
Elisabet, ein schwarzer Pudel, der Sasso heißt, und das Kätzchen Gosan. Und dann noch Alva. Madita und Elisabet woh-
nen im Kinderzimmer, Alva in der Mädchenkammer, Sasso in
einem Korb auf dem Flur und Gosan vor dem Herd in der
Küche. Mama aber wohnt beinah überall im Haus und Papa
auch, wenn er nicht gerade in der Stadt ist und für seine Zeitung schreibt, damit die Leute dort etwas zu lesen haben.
Madita heißt eigentlich Margareta, aber als sie noch klein war, nannte sie sich selber Madita. Und obwohl sie jetzt schon groß ist, fast sieben Jahre alt, heißt sie noch immer so. Nur wenn sie etwas angestellt hat und gerügt werden muß, dann wird sie Margareta genannt. Und sie wird ziemlich oft so genannt.
Elisabet darf immer Lisabet heißen, sie braucht nur selten gerügt zu werden. Madita aber hat so viele verdrehte Einfalle, und sie überlegt nie – außer hinterher. Dann bedauert sie, was sie getan hat, und ist traurig. Sie möchte so gern lieb und brav sein, und es ist ein Jammer, daß ihr das nicht immer glücken will.
»Diesem Kind kommen die Einfalle so rasch, wie ’n Ferkel
blinzelt«, sagt Linus-lda. Und das stimmt.
Linus-lda kommt jeden Freitag zum Waschen und Scheuern.
7
Heute ist Freitag, und Madita sitzt auf dem Steg am Fluß und guckt zu, wie Linus-lda Wäsche spült.
Madita ist froh. Sie hat die Schürzentasche voller süßer, gelber Pflaumen, und ab und zu ißt sie eine. Und dabei planscht sie mit den nackten Füßen im Wasser und singt Linus-lda ein Lied vor.
»ABCD,
die Katze saß im Klee,
die Katze saß im Klee, oje,
scheiden, ach, scheiden tut weh.
EFGH,
sagte sie da,
sagte sie da, oje
scheiden, ach, scheiden tut weh.«
Dieses Lied hat Madita ganz allein gemacht, jedenfalls beinah.
Ein Teil stammt aus Mamas alter Fibel und ein anderer aus einem Lied, das Alva immer beim Abwaschen singt. Madita
findet, es paßt auch gut zum Wäschespülen und Pflaumen-
essen.
Aber Linus-lda findet das nicht.
»Hu, was für ’n Gejaule!« sagt sie. »Kannst du denn kein
schöneres Lied, Madita?«
»Ich finde es schön«, sagt Madita. »Aber deine sind natürlich viel schöner. Sing doch mal das von Jesu Eisenbahn zum
Himmel. Bitte, Ida!«
Aber das will Linus-lda nicht, jedenfalls nicht beim Wäschespülen. Und das ist ein wahrer Segen. Denn wenn Madita das Lied von Jesu Eisenbahn auch immer wieder gern hört, so
muß sie doch jedesmal dabei weinen. Ja, sie braucht nur
daran zu denken wie jetzt, dann wird sie ganz still und bekommt feuchte Augen. Das Lied ist so traurig, es handelt von 8
einem kleinen Mädchen, das glaubt, es könne mit der Eisenbahn zum Himmel hinauffahren und dort die tote Mutter wiedersehen – nein, Madita darf gar nicht daran denken. Alle Lieder, die Linus-lda singt, sind traurig, eins wie das andere.
Die Mütter sterben in einem fort, und die Väter sitzen nur immer im Wirtshaus und trinken so lange, bis die Kinder auch sterben. Dann gehen die Väter nach Hause und weinen und
bereuen alles ganz schrecklich und schwören, nie wieder einen Tropfen zu trinken – aber das hätten sie sich lieber früher überlegen sollen.
Madita seufzt, dann angelt sie sich wieder eine Pflaume aus 9
der Schürzentasche. Ach, sie ist so froh, daß ihre Mama lebt, daß sie dort in dem roten Haus ist. Jeden Abend, wenn Madita im
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