Der große Sprung
seinen unzähligen Sternen vorstellten, gingen in die Kirchen und beteten, daß die Tür, die sich ihnen aufgetan hatte, nur Gutes einlassen möge.
Die vier Tage seit seiner Landung hatte Comyn hauptsächlich auf der Straße verbracht, denn wie die meisten anderen trieb auch ihn die Unruhe aus den vier Wänden – doch sein Grund dafür unterschied sich von ihrem. Er ließ sich im Strom der Begeisterten treiben, wohin immer er sich wälzte, doch hin und wieder bahnte er sich einen Weg hindurch zur einen oder anderen Bar. Und er trank – doch nicht zu viel – und dachte nach.
Über vieles dachte er nach: Über Leben und Tod, über die letzten Worte eines Sterbenden, über die Cochranes, und über eine Partie Schach mit den Sternen als Spielfiguren.
Die Sterne und ich, dachte Comyn. Hier bin ich, ganz vorn, wo man mich leicht überrennen kann, wenn ich nicht rechtzeitig in die richtige Richtung springe. Aber sie gehört überlegt.
Die Tatsache, daß er keine Sekunde allein war, nicht einmal beim Zähneputzen, erschwerte die Sache. Im Freien, wohin er ging, folgte ihm ein Schatten, selbst in seinem möblierten Zimmer war er nicht unbeobachtet. Kaum war er eingezogen gewesen, hatte man Audio- und Videowanzen installiert. Er wußte es und hatte auch ein paar gefunden, aber sich nicht die Mühe gemacht, sie alle zu suchen und herauszureißen. Je länger er die Cochranes im unklaren ließ, desto besser.
Sie warten darauf, daß ich meinen Zug mache, dachte er.
Aber er mußte ihn sich noch gut überlegen. Die Cochranes, die schon jetzt neun Planeten in die Tasche stecken konnten, spielten diese Partie um noch größeren Reichtum und sternenweite Macht. Er war nur aus einem Grund in dieses Spiel eingestiegen: um herauszufinden, was aus Paul Rogers geworden war.
Es war keine sehr wohldurchdachte Idee gewesen. Aber Rogers hatte seinerseits auch nicht lange überlegt, als er seine makellos weiße Weste in Gefahr brachte, um einem Burschen namens Comyn aus einer verdammt schlimmen Lage zu helfen. Und Rogers hatte wahrhaftig keinen triftigeren Grund dafür gehabt, als den, daß sie einmal Nachbarskinder gewesen waren und vor langer Zeit miteinander Äpfel geklaut hatten.
Doch ob jetzt klug oder nicht, er hatte sich nun mal in die Sache hineingeritten, und da gab es nur noch eines: es den Cochranes zu zeigen!
Er hatte alle Veröffentlichungen, die mit Ballantynes Schiff zusammenhingen, eingehend studiert. Alle berichteten, daß die Logbucheintragungen aufhörten, als das Schiff sich den Planeten von Barnards Stern näherte. Das bedeutete entweder, daß die Cochranes logen und sich heimlich eines oder mehr der aufschlußreicheren Logbücher und vielleicht auch Forschungsberichte unter den Nagel gerissen hatten, um sie selbst auszuwerten, oder daß die Cochranes nicht logen und selbst nicht wußten, ob Ballantyne gelandet war und etwas entdeckt hatte.
Wenn letzteres zutraf, war Comyn der einzige Lebende, der mehr wußte. Möglicherweise hatte er damit eine wirkungsvolle Waffe gegen die Cochranes. Andererseits konnte es aber auch sein eigenes Todesurteil sein.
Doch so oder so, es konnte keineswegs schaden, ein bißchen mehr über die Bedeutung eines bestimmten Wortes herauszufinden. Das zumindest dürfte nicht schwierig sein. Die Interwelt Montagebau hatte ihre Forschungslabors im gleichen Gebäude wie ihre Hauptverwaltung. Niemand würde Mißtrauen schöpfen, wenn er unter der Vortäuschung, seinen Job zurückhaben zu wollen, zum Personalbüro ging.
Also tat er es, und die inzwischen bereits vertraute, unauffällige Gestalt, unauffällig gekleidet, begleitete ihn unauffällig, so weit sie konnte. Das hieß, daß er das Gebäude ohne sie betrat. Doch während er auf den Aufzug wartete, verriet ihm ein Zusammenspiel des Lichtes von der Tür und der spiegelnden Marmorwand etwas, das ihm kalten Schweiß auf die Stirn trieb.
Er hatte nicht nur einen Schatten – er hatte zwei!
Ein recht unangenehmes Gefühl plagte seinen Magen, als er zum Stockwerk der Interwelt hochfuhr. Daß die Cochranes ihn überwachen ließen, verstand er. Aber wer waren die anderen. Und warum taten sie es?
Aus dem Verwaltungsteil stieg er eine Treppe zu den Labors hoch und fragte nach Dubman, den er während eines Raumhafenprojekts auf der Venus kennengelernt hatte.
Dubman war ein brillanter Kopf, aber mit Gott und der Welt unzufrieden, weil seine Leber ihm nicht gestattete, so viel zu trinken, wie er es gern täte.
»Können Sie mir etwas über
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