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Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Titel: Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cheryl Strayed
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war. Wenn sie aufwachte, sagte sie: »Oh, oh.« Oder sie stieß einen traurigen Seufzer aus. Sie sah mich an, und Liebe blitzte in ihren Augen auf. Oder sie sank wieder in den Schlaf, als wäre ich gar nicht vorhanden. Manchmal wenn sie aufwachte, wusste sie nicht, wo sie war. Sie verlangte eine Enchilada und dann Apfelmus dazu. Sie glaubte, dass alle Tiere, die sie jemals geliebt hatte, bei ihr im Zimmer wären – und es hatte viele gegeben. »Das verflixte Pferd hätte mich beinahe getreten«, sagte sie und sah sich vorwurfsvoll nach ihm um, oder ihre Hände streichelten eine Katze, die unsichtbar auf ihrem Bauch lag. In dieser Zeit wollte ich, dass sie mir sagte, ich sei die beste Tochter auf der Welt gewesen. Ich wollte das nicht wollen, und trotzdem tat ich es aus mir unerfindlichen Gründen, als hätte ich hohes Fieber, das nur durch diese Worte gelindert werden konnte. Ich ging sogar so weit, sie direkt zu fragen: »Bin ich die beste Tochter auf der Welt gewesen?«
    Sie sagte: Ja, natürlich.
    Aber das genügte mir nicht. Ich wollte, dass sich diese Worte im Kopf meiner Mutter von selbst zusammenfügten und mir frei Haus geliefert wurden.
    Ich hungerte nach Liebe.
    Meine Mutter starb schnell, aber nicht plötzlich. Ein langsam verglimmendes Feuer, wenn die Flammen in Rauch aufgehen und der Rauch sich in Luft auflöst. Sie kam nicht dazu abzumagern. Sie war verändert, aber nicht ausgezehrt, als sie starb. Der Körper einer Frau, die noch unter den Lebenden weilte. Sie hatte auch noch ihre Haare, braun, brüchig und ausgefranst vom wochenlangen Liegen.
    Durch das Fenster des Zimmers, in dem sie starb, konnte ich auf den Lake Superior sehen, den größten Süßwassersee der Welt und den kältesten. Allerdings war das nicht ganz leicht. Ich musste das Gesicht seitlich gegen die Scheibe drücken, dann konnte ich ein Stück von ihm sehen, das sich bis zum Horizont hinzog.
    »Ein Zimmer mit Ausblick!«, rief meine Mutter, obwohl sie zu schwach war, um aufzustehen und sich den See selbst anzusehen. Und dann, leiser: »Mein ganzes Leben lang habe ich auf ein Zimmer mit Ausblick gewartet.«
    Sie wollte im Sitzen sterben, also nahm ich alle Kissen, die ich kriegen konnte, und stopfte sie ihr hinter den Rücken. Am liebsten hätte ich sie aus dem Krankenhaus herausgeholt und zum Sterben auf eine Wiese mit Schafgarben gesetzt. Ich deckte sie mit einem Quilt zu, den ich von zu Hause mitgebracht und den sie selbst aus alten Kleiderresten zusammengenäht hatte.
    »Schaff das Ding fort!«, knurrte sie böse und strampelte wie ein Schwimmer mit den Beinen, um die Decke abzuwerfen.
    Ich beobachtete meine Mutter. Draußen glitzerten die Gehwege und die verharschten Schneehaufen in der Sonne. Heute war Saint Patrick’s Day, und die Schwestern brachten ihr einen Wackelpeter, der, viereckig und grün, auf dem Tisch neben ihr wabbelte. Wie sich herausstellen sollte, war es der letzte ganze Tag in ihrem Leben, und die meiste Zeit davon lag sie ruhig mit offenen Augen da, weder schlafend noch wachend, zeitweise bei klarem Bewusstsein, zeitweise halluzinierend.
    An diesem Abend verließ ich sie, obwohl ich eigentlich nicht wollte. Die Schwestern und Ärzte hatten Eddie und mir gesagt, dass es so weit sei. Ich hatte das so verstanden, dass sie in ein paar Wochen sterben würde. Ich dachte, dass Krebskranke dahinsiechten. Karen und Paul wollten am nächsten Morgen mit dem Auto zusammen aus Minneapolis kommen, und die Eltern meiner Mutter wurden in ein paar Tagen aus Alabama erwartet, aber Leif war immer noch unauffindbar. Eddie und ich hatten seine Freunde und deren Eltern angerufen und ihm eine Nachricht hinterlassen mit der Bitte, sich zu melden, aber er hatte sich nicht gemeldet. Ich beschloss, das Krankenhaus für eine Nacht zu verlassen, um ihn zu suchen und ihn eigenhändig ins Krankenhaus zu schleppen.
    »Morgen früh bin ich wieder da«, sagte ich zu meiner Mutter und blickte zu Eddie hinüber, der, halb liegend, auf der kleinen Vinylcouch saß. »Und zwar mit Leif.«
    Als sie seinen Namen hörte, schlug sie die Augen auf: blau und leuchtend, genau so, wie sie immer gewesen waren. Trotz allem hatten sie sich nicht verändert.
    »Wie ist es möglich, dass du nicht böse auf ihn bist?«, fragte ich sie verbittert wohl zum zehnten Mal.
    »Man kann einen Hund nicht zum Jagen tragen«, antwortete sie darauf gewöhnlich. Oder: »Cheryl, er ist erst achtzehn.« Aber diesmal sah sie mich nur an und sagte: »Schatz.« Genauso hatte sie

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