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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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fortzusetzen. Dagegen wandte sie das Erlernte dazu an, sich für einfache Lieder auf der Orgel einzuüben, sie begleitete also jetzt unsern Gesang, und der Schulmeister stand dafür singend in unserm Kreise. Er sah fortwährend seine Tochter an, und ich ebenfalls, da wir ihr im Rücken standen; sie sah wirklich aus wie eine heilige Cäcilie, während die Stellung ihrer weißen Finger auf den Tasten noch etwas Kindliches ausdrückte. Als wir des musikalischen Vergnügens satt waren, gingen wir vor das Haus; dort war auch vieles verändert. Auf dem Treppchen standen Mandel-und Oleanderbäumchen, das Gärtchen war nicht mehr ein krauses Rosen-und Gelbveigeleingärtchen, sondern, Annas jetziger Erscheinung mehr angemessen, mit fremden Gewächsen und einem grünen Tische nebst einigen Gartenstühlen versehen. Nachdem wir hier eine kleine Abendmahlzeit eingenommen, gingen wir an das Ufer, wo ein neuer Kahn lag; Anna hatte auf dem Genfersee fahren gelernt und der Schulmeister deswegen das Fahrzeug machen lassen, das erste, welches auf dem kleinen See seit Menschengedenken zu sehen war. Außer dem Schulmeister stiegen wir alle hinein und fahren auf das ruhige glänzende Wasser hinaus; ich ruderte, da ich als Anwohner eines größern Sees auch meine Künste zeigen wollte, und die Mädchen saßen dicht beisammen, die Bursche aber hielten sich unruhig und suchten Scherz und Händel. Endlich gelang es ihnen, das Gefecht wieder zu eröffnen, zumal sich ihre Schwestern aus der gemessenen Haltung heraus nach freier Bewegung sehnten. Sie hatten sich nun genug darin gefallen, mit Anna die Feinen und Gestrengen zu machen, und wünschten vorzüglich die Früchte des Spukes, welchen sie sich mit meinem Bette erlaubt hatten, mit Glanz einzuernten.
    Deshalb wurde ich bald der Gegenstand des Gespräches; Margot, die Alteste, berichtete Anna, daß ich mich als einen strengen Feind der Mädchen dargestellt hätte und daß nicht zu hoffen wäre, daß ich jemals mich eines schmachtenden Herzens erbarmen würde; sie warne daher Anna zum voraus, sich nicht etwa früher oder später in mich zu verlieben, da ich sonst ein artiger junger Mensch sei. Darauf bemerkte Lisette, es wäre dem Schein nicht zu trauen; sie glaube vielmehr, daß ich innerhalb lichterloh brenne vor Verliebtheit, in wen, wisse sie freilich nicht; allein ein sicheres Zeichen davon wäre mein unruhiger Schlaf, man hätte am Morgen mein Bett im allersonderbarsten Zustande gefunden, die Leintücher ganz verwickelt, so daß zu vermuten, ich habe mich die ganze Nacht um mich selbst gedreht wie eine Spindel. Scheinbar besorgt fragte Margot, ob ich in der Tat nicht gut geschlafen habe? Wenn dem so wäre, so wüßte sie allerdings nicht, was sie von mir halten müßte. Sie wolle inzwischen hoffen, daß ich nicht ein solcher Heuchler sei und den Mädchenfeind mache, während ich vor Liebe nicht wüßte, wo hinaus! Überdies wäre ich doch noch zu jung für solche Gedanken.
    Lisette erwiderte, eben das sei das Unglück, daß ein Grünschnabel wie ich schon so heftig verliebt sei, daß er nicht einmal mehr schlafen könne. Diese letzte Rede brachte mich endlich auf, und ich rief »Wenn ich nicht schlafen konnte, so geschah das, weil ich durch euere eigene Verliebtheit die ganze Nacht gestört wurde, und ich habe wenigstens Nicht allein gewacht!« – »O
    gewiß sind wir auch verliebt, bis über die Ohren!« sagten sie etwas betroffen, faßten sieh aber sogleich, und die Altere fuhr fort »Weißt du was, Vetterchen, wir wollen gemeinsam zu Werke gehen; vertraue uns einmal deine Leiden, und zum Danke dafür sollst du unser Vertrauter werden und unser Rettungsengel in unseren Liebesnöten!« – »Es dünkt mich, du hast keinen Rettungsengel notwendig«, antwortete ich, »denn an deinem Fenster steigen die Engel schon ganz lustig die Leiter auf und nieder!« – »Hört, nun redet er irre, es muß schon arg mit ihm stehen!« rief Margot, rot werdend, und Lisette, welche noch beizeiten sieh verschanzen wollte, setzte hinzu »Ach, laßt den armen Jungen in Ruh, er ist mir recht lieb und dauert mich!« – »Schweig du!« sagte ich noch mehr erbost, »dir fallen die Liebhaber von den Bäumen in die Kammer!«
    Die Bursche klopften in die Hände und riefen »Oho, steht es so? Der Maler hat gewiß etwas gesehen, freilich, freilich, freilich! Wir haben's schon lange gemerkt!« und nun nannten sie die begünstigten Liebhaber der beiden Dämchen, welche uns den Rücken wandten mit den Worten

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