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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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gerade exemplierte, drohte auseinanderzugehen und der Kaffee, welcher im Gleichnis nicht mitbegriffen, auf den Tisch zu fließen, so daß der Philosoph sich beeilen mußte, durch die prästabilierte Harmonie die Kanne zusammenzuhalten, wenn wir den erquickenden Trank genießen wollten. Bei Kant hörte man das göttliche Postulat so leibhaftig und zierlich erklingen wie ein Posthörnchen, aus der tiefen Ferne der innersten Brust; bei Fichte verschwand wieder alle Wirklichkeit gleich den Trauben in Auerbachs Keller, nur daß wir nicht einmal an unsere Nasen glauben durften, welche wir in den Händen hielten; wenn Feuerbach sagte Gott ist nichts anderes, als was der Mensch aus seinem eigenen Wesen und nach seinen Bedürfnissen abgezogen und zu Gott gemacht hat, folglich ist niemand als der Mensch dieser Gott selbst, so versetzte sich der Philosoph sogleich in einen mystischen Nimbus und betrachtete sich selbst mit anbetender Verehrung, so daß bei ihm, indem er die religiöse Bedeutung des Wortes immer beibehielt, zu einer komischen Blasphemie wurde, was im Buche die strengste Entsagung und Selbstbeschränkung war. Am drolligsten nahm er sich jedoch aus in seiner Anwendung der alten Schulen, deren Lebensregeln er in seinem äußern Behaben vereinigte. Als Cyniker schnitt er alle überflüssigen Knöpfe von seinem Rocke, warf die Schuhriemen weg und riß das Band von seinem Hute, trug einen derben Prügel in der Hand, welcher zu seinem zarten Gesichtchen seltsam kontrastierte, und legte sein Bett auf den bloßen Boden; bald trug er sein schönes Goldhaar in langen, tausendfach geringelten Locken, weil die Schere überflüssig sei, bald schnitt er es so dicht am Kopfe weg, daß man mit dem feinsten Zängelchen kaum ein Härchen hätte fassen können, indem er die Locken als schnöden Luxus erklärte, und er sah dann mit seinem geschorenen Rosenköpfchen noch viel lustiger aus. Im Essen war er hinwieder Epikureer, und die gewöhnliche Dorfkost verschmähend, schmorte er sich ein saures Eichhörnchen, briet ein Fischchen oder eine Wachtel, die er gefangen hatte, und aß ausgesuchte kleine Böhnchen, junge Kräutchen und dergleichen, wozu er ein halbes Gläschen alten Wein trank. Als Stoiker hingegen richtete er allerhand spaßhafte Händel an und brachte die Leute in Harnisch, um in dem entstandenen Lärm dann einen kalten Gleichmut zu behaupten und sich nichts anfechten zu lassen; insbesondere aber erklärte er sich als einen Verächter der Frauen und führte einen beständigen Krieg mit ihnen, welche mit ihren sinnlichen Reizen und ihrem eitlen Wesen die Männer ihrer Tugend und Ernsthaftigkeit berauben wollten. Als Cyniker verfolgte er die Frauen und Mädchen überall mit Natürlichkeiten, als Epikureer mit erotischen Witzen, und als Stoiker sagte er ihnen Grobheiten, war aber immer zu finden, wo drei beieinanderstanden. Sie wehrten sich mit geräuschvollem Entsetzen gegen ihn, so daß überall, wo er erschien, ein lustiger Spektakel losging; nichtsdestominder sah man ihn überall gern, die Männer achteten nicht auf ihn, und die Kinder hingen mit großer Liebe an ihm; denn mit diesen war er auf einmal wie ein Lamm und stand in dem reinsten und schönsten Verhältnisse zu ihnen. Er hatte die Allerkleinsten zu besorgen, und er tat dies so vortrefflich, daß man noch nie einen so wohlgearteten und sittigen Schlag kleiner Jüngelchens und Dirnchens im Dorfe gesehen hatte. Deshalb übersah man seine übrigen Geschichten, die er anrichtete und die man seiner tollen Jugend zuschrieb, und selbst daß er sich für einen Atheisten ausgab, konnte ihn der Gunst des weiblichen Dorfes nicht berauben.
    Er fand sich auch im Hause meines Oheims ein, wo eine gute Anzahl Mädchen und junger Bursche, die durch vielfältigen Besuch noch verstärkt wurde, für seine Aufführungen empfänglich war. Ich gesellte mich dem Philosophen bei, einesteils von seinem Philosophieren angezogen, andernteils von seinem Weiberkriege, da dieser gerade mit meiner schiefen Lage zu den Mädchen zusammentraf. Wir machten große Spaziergänge, auf welchen er mir die Systeme der Reihe nach vortrug, wie er sie im Kopfe hatte und wie ich sie verstehen konnte. Es kam mir alles äußerst wichtig und erbaulich vor, und ich ehrte bald, gleich ihm, jede Lehre und jeden Denker, gleichviel ob wir sie billigten oder nicht. Über den christlichen Glauben waren wir bald einig und machten in die Wette unsern Krieg gegen Pfaffen und Autoritätsleute jeder Art; als ich aber den

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