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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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wirklich mitgenommen habe, und schlenderte das Tal hinauf in den Schatten hinein, unmutig wie einer, welcher von einem fröhlichen Mittagsmahle kommt und nicht weiß, wie er den Abend zubringen soll; denn ich dachte nicht daran, daß Anna, wenn sie mich liebte, nun ja auch allein über den Berg wanderte.
    Die nächsten Tage kam sie nicht zu uns, und ich getraute mir auch Nicht zum Schulmeister zu gehen; sie hatte nun ein schriftliches Geständnis von mir in den Händen, weswegen mir nun unser beider Freiheit verloren und deshalb unser Benehmen schwieriger schien, weil ich die Gewaltsamkeit einer solchen Erklärung wohl fühlte. Ich sehnte mich auch nicht sowohl nach einer Erwiderung von ihrer Seite als nach einem schweigenden und ruhigen Einverständnis und nach sicheren Zeichen, daß nicht etwa eine andere Neigung in ihrem Herzchen entstanden sei. Wie nun ein Tag nach dem andern vorüberging, verschwand meine vergnügte Sicherheit wieder, besonders da ich gar keinerlei Erwähnung und Spuren von dem Vorgange in der Laube erfuhr, und Ich war eben wieder auf dem Punkte, in meinem Herzen trotzig zu verstocken, als der Namenstag des Schulmeisters, welchen ich in der Not angerufen hatte, wirklich da war und die Bäschen erklärten, wir würden auf den Abend alle hingehen, um ihn zu beglückwünschen. Erst jetzt bekam ich mein Bild wieder zu sehen, welches ganz fein eingerahmt war. An einem verdorbenen Kupferstiche hatten die Mädchen einen schmalen, in Holz auf das zierlichste geschnittenen Rahmen gefunden, welcher wohl siebenzig Jahr alt sein mochte und eine auf einen schmalen Stab gelegte Reihe von Müschelchen vorstellte, von denen eins das andere halb bedeckte. An der inneren Kante lief eine feine Kette mit viereckigen Gelenken herum, fast ganz freistehend, die äußere Kante war mit einer Perlenschnur umzogen. Der Dorfglaser, welcher allerlei Künste trieb und besonders in verjährten Lackierarbeiten auf altmodischem Schachtelwerk stark war, hatte den Muscheln einen rötlichen Glanz gegeben, die Kette vergoldet und die Perlen versilbert und ein neues klares Glas genommen, so daß ich höchst erstaunt war, meine Zeichnung in diesem Aufputze wiederzufinden. Sie erregte die Bewunderung aller ländlichen Beschauer, und besonders meine Blumen und Vögel sowie die Goldspangen und Edelsteine, womit Ich Anna geschmückt, auch die fromme und sorgfältige Ausarbeitung ihrer Haare und ihrer weißen Halskrause, die schönblauen Augen und die rosenroten Wangen, der tiefrote Mund, alles entsprach dem phantasiereichen Sinne der Leute, welche ihre Augen an den mannigfaltigen Gegenständen vergnügten. Das Gesicht war fast gar nicht modelliert und ganz licht, und dies gefiel ihnen nur um so mehr, obgleich dieser vermeintliche Vorzug in meinem Nichtkönnen seinen einzigen Grund hatte.
    Ich mußte das allerherrlichste Werk eigenhändig tragen, als wir fortgingen, und wenn die Sonne sich in dem glänzenden Glase spiegelte, so erwies es sich recht eigentlich, daß kein Fädelein so fein gesponnen, das nicht endlich an die Sonne käme. Auch machten die Mädchen reichliche Witze, wenn sie sich nach mir umsahen, der den Rahmen sorgfältig in acht nehmen mußte und daher aussah, als ob ich ein Palladium im Schweiße meines Angesichts über den Berg trüge. Aber die Freude, welche der Schulmeister bezeugte, entschädigte mich reichlich für alles sowie über den Verlust des Bildes, zumal ich mir vornahm, für mich selbst noch ein viel schöneres zu entwerfen. Ich war der Held des Tages, als das Bild nach genugsamem Betrachten über dem Sofa im Orgelsaale aufgehängt wurde, wo es sich wie das Bild einer märchenhaften Kirchenheiligen ausnahm. Doch dies alles trug dazu bei, meine Annäherung zu Anna zu erschweren; es war mir unmöglich, diese Gelegenheit zu benutzen und mit ihr schönzutun, ich begriff ebenfalls, daß sie jetzt eben sich sehr gemessen benehmen mußte, und ich erkannte, daß es eigentlich gar kein Spaß sei, einem Mädchen seine Neigung so bestimmt kundzutun. Desto besser stand ich mit dem Schulmeister, mit welchem ich vielfach disputierte. Sein Bildungskreis umfaßte hauptsächlich das christlich moralische Gebiet in einem halb aufgeklärten und halb mystisch andächtigen Sinne, wo der Grundsatz der Duldung und Liebe, gegründet auf Selbsterkenntnis und auf das Studium des Wesens Gottes und der Natur, zu oberst stand. Daher war er sehr bewandert in den memoirenartigen Schriften geistreich andächtiger Leute aus verschiedenen

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