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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Nationen, und er besaß und kannte seltene und berühmte Bücher dieser Art, die ihm die Überlieferung gleicher Bedürfnisse in die Hände gegeben hatte. Es war viel Schönes, Vornehmes und allgemein Wahres zu lesen in diesen Büchern, und ich hörte mit Bescheidenheit und Wohlgefallen seinen Vorträgen zu, indem das Grübeln nach dem Wahren und Guten mich immer mehr anzog.
    Meine Einsprachen bestanden darin, daß ich gegen das Christliche protestierte, welches das alleinige Merkzeichen alles Guten sein sollte. Ich befand mich in dieser Hinsicht in einem peinlichen Zerwürfnisse. Während ich die Person Christi liebte, wenn sie auch, wie ich glaubte, in der Vollendung, wie sie dasteht, eine Sage sein sollte, und während ich vielfach das Wohltuende ihrer Erinnerung empfand, war ich doch gegen alles, was sich christlich nannte, ganz feindlich gesinnt geworden, ohne recht zu wissen warum, und ich war sogar froh, diesen Haß zu empfinden; denn wo sich Christentum geltend machte, war für mich reizlose und graue Nüchternheit. Ich ging deswegen schon seit ein paar Jahren nicht mehr in die Kirche als an hohen Festtagen, und die christliche Unterweisung besuchte ich sehr selten, obgleich ich gesetzlich dazu verpflichtet war; im Sommer kam ich durch, weil ich größtenteils auf dem Lande lebte, im Winter ging ich zwei-oder dreimal, und man schien dies nicht zu bemerken, wie man mir überhaupt keine Schwierigkeiten machte, aus dem einfachen Grunde, weil ich der grüne Heinrich hieß, d.h. weil ich meiner ganzen Vergangenheit nach eine abgesonderte und abgeschiedene Erscheinung war; auch machte ich ein so finsteres Gesicht dazu, daß die Geistlichen mich gern gehen ließen. So genoß ich einer vollständigen Freiheit und, wie ich glaube, nur dadurch, daß ich mir dieselbe, trotz meiner Jugend, entschlossen angemaßt; denn ich verstand durchaus keinen Spaß hierin. Jedoch einoder zweimal im Jahre mußte ich genugsam für dieselbe bezahlen, wenn nämlich an mich die Reihe kam, in der Kirche »aufzusagen«, d.h. in der öffentlichen Kinderlehre nach vorhergegangener Einübung einige auswendig gelernte Fragen zu beantworten und schließlich eine Liederstrophe herzusagen. Dies war vor vielen Jahren schon eine Pein für mich gewesen, nun aber geradezu unerträglich; und doch unterzog ich mich dem Gebrauche oder mußte es vielmehr, da, abgesehen von dem Kummer, den ich meiner Mutter gemacht hätte, das endliche gesetzliche Loskommen daran geknüpft war. Auf die nächste Weihnacht sollte ich nun konfirmiert werden, was mir ungeachtet der gänzlichen Freiheit, welche mir nachher winkte, große Sorgen verursachte.
    Daher äußerte ich mein Antichristentum jetzt gegen den Schulmeister mehr, als ich sonst getan haben würde, obgleich es in ganz anderer Weise geschah, als wenn ich mit dem Philosophen zusammen war; ich mußte nicht nur den Vater Annas, sondern überhaupt den bejahrten Mann ehren, und besonders seine duldsame und liebevolle Weise schrieb mir von selber vor, mich in meinen Ausdrücken mit Maß und Bescheidenheit zu benehmen und sogar die Voraussetzung, daß ich als ein junger Bursche noch was zu lernen möglich fände, nicht aufzugeben. Auch war der Schulmeister eher froh über meine abweichenden Meinungen, indem sie ihm Veranlassung zu geistiger Bewegung gaben und er Ursache fand, mich förmlich liebzugewinnen, der Mühe wegen, die ich ihm machte. Er sagte, es sei ganz in der Ordnung, ich sei wieder einmal ein Mensch, bei welchem das Christentum das Ergebnis des Lebens und nicht der Kirche sein würde, und werde noch ein rechter Christ werden, wenn ich erst etwas erfahren habe. Der Schulmeister stand sich nicht gut mit der Kirche und behauptete, ihre gegenwärtigen Diener wären unwissende und rohe Menschen. Ich habe ihn aber ein wenig im Verdacht, daß dies nur darin seinen Grund hatte, daß sie Hebräisch und Griechisch verstanden, was ihm verschlossen war. Ich lernte bei ihm viele Bücher kennen, die wieder eine ganz andere Welt enthielten als diejenigen des Philosophen, welcher ein mächtiges Zuckerfaß voll philosophischer Bücher ins Dorf gebracht hatte.
    Indessen war die Ernte längst vorüber, und ich mußte an die Rückkehr denken. Mein Oheim wollte mich diesmal nach der Stadt bringen und zugleich seine Töchter mitnehmen, von denen die zwei jüngeren noch gar nie dort gewesen. Er ließ eine alte Kutsche bespannen, welche seit Menschengedenken im Wirtshause stand, und so fuhren wir davon, die Töchter in ihrem

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