Der gruene Heinrich [Erste Fassung]
verpflichten würde, in einem gesellschaftlich freundlichen und zuvorkommenden Verkehr mit mir zu leben wie mit anderen.
Dies ließ sich hören und schien mir ganz in dem Sinne gesagt zu sein, in welchem ich die Frauen als eine verschworene Einheit betrachtet hatte; es klang mir wie ein angenehmer Beweis davon, daß es gut sei, wenn sie eine Sache wohlwollend an die Hand nähmen. Ihre hochtrabenden Worte beirrten mich nicht, und ich bildete mir gleich ein, daß man mich sehr nötig habe.
Lächelnd erwiderte ich, daß ich mich einem vernünftigen Wort gern füge und daß ich nichts Besseres verlange, als mit aller Welt in Frieden zu leben. Nun stand ich aber wieder da, ohne Anna weiter anzusehen, welche emsig nähte.
Lisette ergriff nun das Wort und sagte »Um einen Anfang zu machen, gib mm der Anna die Hand und versprich ihr mit deutlichen Worten, jedesmal, wo du mit ihr zusammentriffst, sie mit ihrem Namen zu grüßen und sie zu fragen, wie es ihr geht; hiebei soll festgesetzt sein, daß jedesmal, wo du sie zuerst an dem Tage siehst, die Hand gereicht werde, wie es unter Christen gebräuchlich ist!«
Ich näherte mich Anna, hielt meine Hand hin und sprach eine verworrene kleine Rede; ohne aufzusehen, gab sie mir die Hand, wobei sie die Nase ein bißchen rümpfte und ein wenig lächelte. Als ich hierauf mich aus der Laube entfernen wollte, begann Margot wieder: »Geduld, Herr Vetter! Es kommt nun der zweite Punkt, welcher zu erledigen ist.« Sie schlug die Tücher, welche den Tisch bedeckten, auseinander und enthüllte mein Bild Annas. »Wir wollen«, fuhr sie fort, »nicht lange erörtern, wie wir zu diesem geheimnisvollen Werke gelangt, genug, es ist entdeckt, und wir wünschen nun zu wissen, mit welchem Recht und zu welchem Zweck harmlose Mädchen ohne ihr Wissen abkonterfeit werden?«
Anna hatte einen flüchtigen Blick auf das bunte Pergament geworfen und saß ebenso verlegen und unruhig da, als ich beschämt und trotzig war. Ich erklärte, daß das Blatt mein Eigentum und ich keiner sterblichen Seele eine Verantwortung darüber schuldig wäre, gleichviel ob es ans Tageslicht getreten oder noch im verborgenen liege, wo ich künftig meine Sachen zu lassen bitte.
Damit wollte ich meine Zeichnung ergreifen; allein die Mädchen deckten sie schleunig mit Leinwand zu und türmten die ganze Aussteuer darauf. Es könne ihnen nicht gleichgültig sein, sagten sie, ob ihre Bildnisse heimlich und zu unbekanntem Zwecke angefertigt würden. Ich müßte also bestimmt erklären, für wen ich besagtes Werk angefertigt habe oder was ich damit zu machen gedenke; denn daß ich es für mich behalten wolle, sei nach meinem bisherigen Verhalten nicht wohl anzunehmen, auch wäre dies nicht zu gestatten. »Die Sache ist sehr einfach«, erwiderte ich endlich, »ich habe dem Schulmeister, Annas Vater, eine kleine Freude zu seinem Namenstage machen wollen und gedachte dies am besten durch ein Porträt seiner Jungfer Tochter zu erreichen; habe ich damit unrecht getan, so tut es mir leid, ich werde es nicht wieder tun!
Ich kann vielleicht durch eine Abbildung seines Hauses und Gartens am See dem Herrn Vetter den gleichen Dienst leisten, mir verschlägt es nichts?«
Durch diese Ausflucht beraubte ich mich zwar selbst des Bildes, das mir auch der Mühe und Arbeit wegen lieb geworden war, zugleich aber schnitt ich der unbequemen Verhandlung den Faden ab, indem die Mädchen hiegegen nichts mehr einzuwenden wußten und meine aufmerksame Gesinnung für den Schulmeister noch zu loben veranlaßt wurden. Doch beschlossen sie, das Pergament aufzubewahren bis zum bestimmten Tage, wo wir es sämtlich dem Schulmeister feierlich überbringen würden. So kam ich um meinen Schatz, verhehlte aber meinen Verdruß, indessen die kleine Caton, noch nicht zufrieden, wieder anfing »›Ihm verschlägt es nichts!‹ ob er das Haus zeichne oder Anna, sagte er! Was soll das wohl heißen?« Und Margot erwiderte »Das soll heißen, daß er ein hochmütiger Gesell ist, welchem ein Haus und ein schönes Mädchen gleich unbedeutend sind! Hauptsächlich aber soll es heißen Glaubt ja nicht etwa, daß ich das mindeste besondere Interesse an diesem Gesichtchen hatte, als ich es malte! Dies ist eine neue Beleidigung, und der armen Anna gebührt eine glänzende Genugtuung!« Margot zog nun ein zusammengefaltetes Blatt aus dem Busen, entfaltete es und beauftragte Lisette, es laut und feierlich vorzulesen. Ich war sehr begierig, was es sein möchte, Anna wußte ebenfalls
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