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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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angstvoller Verlegenheit. Nur der Anführer der Beamtengesellschaft erwiderte mit unsicherer Stimme »Wenn wir von einem Fremden die gebührliche Achtung verlangen, so geschieht es in Rücksicht auf des Königs Majestät, dessen Stellvertreter wir sind.«
    »Es liegt schwerlich im Wunsche des Königs, daß seine Beamten sich hinter den Bierkrug lagern, um darüber zu wachen, daß jeder Reisende im Lande den Hut abzieht!« Damit faßte der Graf seinen Schützling unter den Arm und ging mit ihm hinaus.
    Die Beamten liefen in großer Verwirrung in der Stube umher und ergriffen stumm und grimmig ihre Krüge; sie schämten sich nicht voreinander, sondern vor den Wirtsleuten, welche Zeugen ihrer Demütigung gewesen waren. Nur einer sagte »Das war wieder einmal Wasser auf seine Mühle, da konnte er seine merkwürdigen Launen wieder auslassen! Schade, daß er mit seinem Spleen nicht in England zu Hause ist!«
    »Ich glaube, er würde noch lieber nach Amerika gehören«, versetzte ein anderer mit pfiffigem Ausdruck. – In dem alten Wagen, als derselbe auf der Landstraße dahinfuhr, saßen die beiden Neubekannten anfangs schweigend und verstimmt. Heinrich aus guten Gründen; denn die leiseste Berührung einer fremden männlichen Hand in feindlicher Absicht jagt das Blut immer in eine heftige Wallung und hat schon oft genug Mord und Totschlag zur Folge gehabt; sein Begleiter hingegen mochte etwas ärgerlich darüber sein, daß er in so kurzer Zeit einen unscheinbaren Fremden wiederholt gegen die Ungezogenheit der eigenen Umgebung hatte schützen müssen, wozu noch die Ungewißheit kam, ob diese in Beziehung auf den innern Wert des Schützlings wohl auch notwendig sei?
    Wie um sich hierin zu versichern, eröffnete er endlich das Gespräch, indem er Heinrich nach seinem Herkommen befragte. Als dieser erwiderte, daß er Schweizer sei und zum ersten Mal in Deutschland reise, versetzte der Graf »Und sind Sie überrascht durch die vorige Tölpelei, oder finden Sie irgendeine vorgefaßte Meinung bestätigt?«
    »Ich soll eigentlich nicht überrascht sein, wenn ich bedenke, daß jedes Volk seine eigenen Sitten hat, welche kennenzulernen der Fremde wohltut. Ich erinnere mich jetzt wirklich, daß in meiner Heimat dem Reisenden ähnliche Unannehmlichkeiten widerfahren, indem dort das Landvolk, wenn es von Begegnenden nicht gegrüßt oder sein Gruß nicht erwidert wird, dem Fehlenden Schimpf und Spott nachsendet. Dabei herrscht eine so genaue Etikette, daß der Ankommende oder Vorübergehende denjenigen, der an einer Stelle sitzt oder steht, zuerst begrüßen muß, wenn er nicht ausgescholten werden will.«
    »Da scheint mir aber doch eine schönere Sitte allgemeiner Freundlichkeit und Zutraulichkeit zugrunde zu liegen, als die tolle Respektwut unserer Honoratioren ist. Oder ist es vielleicht die gleiche moralische Triebfeder, indem Ihr Landvolk sich als republikanischer Souverän respektiert wissen will?«
    »Durchaus nicht! Das Volk bei uns hat nicht nötig, sich seine Bedeutung durch solche Dinge zu vergegenwärtigen; es atmet seine Lebensluft, ohne daran zu denken; der Herzschlag seines politischen Lebens gehört ebensowohl zu den unwillkürlichen Bewegungen als derjenige seines physischen Körpers.
    Auch sind Leute, welche eine absolute persönliche Nichtsnutzigkeit und Hohlheit fortwährend durch ihren überkommenen Anteil an der bürgerlichen Souveränetät übertünchen wollen, nicht besonders angesehen. So mag es kommen, daß das Volk auf den Straßen den Postzug eines durchreisenden gekrönten Hauptes mit kindlicher Verwunderung begafft und, wenn es etwas recht Großes und Reiches bezeichnen will, die Worte König und königlich so wohl anwendet wie alle übrige Welt, oft mit solcher Naivetät, daß der geschulte Demokrat sich darob ärgern mag.«
    »Wenn Sie hierin noch die glückliche Stimmung Ihres Volkes teilen, werden Sie sich also nicht unbequem fühlen während Ihres Aufenthaltes in einer Monarchie?«
    »Solange ich die Gewißheit habe, zurückzukehren, sobald ich will, wohl nicht. Indessen muß ich Ihnen gestehen, mein Herr, daß doch schon eine sonderbare Stimmung anfängt, sich meiner zu bemächtigen, und der heutige Auftritt machte dieselbe nur klarer. Es ist mir zu Mute, wie wenn irgendeiner zarten und bisher unberührten Saite meines Innern plötzlich Gewalt angetan wäre; jeder Stein, jeder Baum scheint hier einen Stempel zu tragen, noch neben dem der Gottheit und der Natur. Jedes Postschild scheint mir zuzurufen

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