Der gruene Heinrich [Erste Fassung]
Mühe nach und nach folgenden Sachverhalt herausbringen können.
Er war auf dem Lande geboren und als ein kleiner Junge nach der Stadt zu Habersaat gebracht worden, da er große Neigung verriet, etwas anderes zu werden als ein Ackerbauer. Es war in der Restaurationszeit, wo arme Bauernkinder, wenn sie etwas lernen wollten, nur die Wahl hatten zwischen einem Handwerk und einem Plätzchen in einem städtischen Gewerbe. Es war ein Glück für sie, wenn sie als Laufbürschchen in Handelshäusern, Fabriken oder Kanzleien ein Fleckchen fanden, auf dem sie Fuß fassen und, wenn etwas an ihnen war, sich aufarbeiten konnten. Da Habersaats Anstalt auch eine Unterkunft dieser Art war, obgleich eine schlimme, so geriet Römer ganz zufällig dahin, ohne viel zu wissen, was man aus ihm machen würde. Er war fleißig und hielt seine Zeit aus, nach welcher ihn ein französischer Kunsthändler, welcher durchreiste, um ein Werk schweizerischer Prospekte vorzubereiten, nebst einigen anderen jungen Leuten mit nach Paris nahm, indem der Mann dort die Habersaatsche Art, welche er sehr praktisch fand, anwenden wollte. Römer hielt sich tapfer; nach wenigen Jahren hatte er eine artige Summe erspart, mit welcher er nach Rom ging, entschlossen, etwas Rechtes zu werden. Indem er sich umsah, ergriff er alsobald die englische Art, in Aquarell zu malen, hielt sich aber dabei gründlich an die Natur und verbesserte das Mittel durch einen reinern Zweck, so daß seine Arbeiten einiges Aufsehen erregten und er unter dem Zusammenfluß von Künstlern aller Nationen bald seine eigentümliche Stellung einnahm. Indessen suchte er sich auch sonst auszubilden und stellte sich endlich als ein feiner und unterrichteter Mann in jeder Weise dar. Seine geistreichen und zugleich eleganten Zeichnungen kamen besonders dem Bedürfnis der vornehmen Welt entgegen; einer römischen Prinzessin gefielen sie so sehr, daß er berufen wurde, ihr in seiner Technik Unterricht zu geben, und täglich in den Palast ihres Gemahles gehen mußte. Dies verdrehte ihm den Kopf oder lenkte ihn vielmehr auf den Weg, dessen Anfang von je in ihm war; er machte irgendeine Dummheit, auch mochte der Vorfall mit der Bescheidenheit, den er auf seine Weise mir erzählt, dazukommen sein Gluck verließ ihn plötzlich, er wurde vermieden und ging nach Paris zurück. Dort gelang es ihm durch den Kunsthändler, auf günstige Weise bekannt zu werden; er mußte eines Tages in die Tuilerien gehen, seine Mappen vorlegen und sah sich in einen allerliebsten kleinen Salon versetzt, in welchem die blühenden Kinder des Königs, Mädchen und Söhne, scherzend und lachend um seine Arbeiten sich drängten und Blätter für ihre Albums auswählten. Diese Auszeichnung wurde in den Pariser Journalen gemeldet, und er las seinen Namen im Journal des Debats, aber zum ersten und letzten Male, obgleich er seither keinen Tag ruhig schlafen konnte, wenn er dies Blatt nicht gelesen.
Von nun an nahm der Irrsinn vollständig Platz in ihm, er behandelte seinen Beruf als Nebensache und trachtete mehr danach, seinen eingebildeten Rechten Geltung zu verschaffen. Zum zweiten Mal von der vornehmen Welt zurückgewiesen, mußte er in einen nachteiligen Verkehr mit Händlern treten, um nur dann und wann ein Blatt zu verkaufen. Von wohlhabenden Landsleuten, die sich zum Vergnügen in Paris aufhielten und den Umgang des Künstlers gesucht hatten, lieh er Geld, wenn er in Not war, und da er dieses mit ernsthaften und anständigen Manieren tat, das Geliehene aber nicht zurückgab, vielmehr von großen und wichtigen Dingen sprach, während er doch sonst ein kluger und einsichtiger Mann schien, so hielt man ihn bald für einen durchtriebenen und gefährlichen Schelm, der nur darauf ausgehe, andere auf tückische Weise um das Ihrige zu bringen. Daß er in der festen Überzeugung lebte, jeden Tag sein großes Schicksal aufgehen zu sehen, wo er als ein König dieser Welt alles Empfangene hundertfach vergelten könne, wurde ihm nicht angerechnet; vielmehr verzieh man ihm nicht, wenn er einmal verrückt sei, daß er doch mit soviel schlauem Anstand und wahrer Menschenkenntnis seine wohlhabenden Bekannten wiederholt habe anführen können. Er fühlte dies recht gut mit seiner vernünftigeren Hälfte, welche durch die Not immer zur Not wachgehalten wurde; denn während unserer seltsamen Gespräche über die Erfahrungen sagte er mir einst »Wenn Sie einst in Verlegenheit geraten und Geld leihen müssen, so tun Sie dies ja nicht auf eine
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