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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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gesagt, ich will nichts gesagt haben! Ich will nicht deine Achtung, ich will dich selbst haben, solange ich kann!«
    Sie suchte meine beiden Hände zu fassen, ergriff dieselben, und während ich sie ihr vergeblich zu entziehen mich bemühte, indes sie mir ganz flehentlich in die Augen sah, fuhr sie nicht leidenschaftlichem Tone fort: »O liebster Heinrich! Geh nach der Stadt, aber versprich mir, dich nicht selbst zu binden und zu zwingen durch solche schreckliche Schwüre und Gelübde! Laß dich –«
    Ich wollte sie unterbrechen, aber sie verhinderte mich am Reden und überflügelte mich:
    »Laß es gehen, wie es will, sag ich dir! Auch an mich darfst du dich nicht binden, du sollst frei sein wie der Wind! Gefällt es dir –«
    Aber ich ließ Judith nicht ausreden, sondern riß mich los und rief: »Nie werd ich dich wiedersehen, so gewiß ich ehrlich zu bleiben hoffe!
    Judith! leb wohl!«
    Ich eilte davon, sah mich aber noch einmal um, wie von einer starken Gewalt gezwungen, und sah sie in ihrer Rede unterbrochen dastehen, die Hände noch ausgestreckt von dem Losreißen der meinigen und überrascht, kummervoll und beleidigt zugleich mir nachschauend, ohne ein Wort hervorzubringen, bis mir der von der Sonne durchwirkte Nebel ihr Bild verschleierte.
    Eine Stunde später saß ich mit meiner Mutter auf einem Gefährt, und einer der Söhne meines Oheims führte uns nach der Stadt. Ich blieb den ganzen Winter allein und ohne allen Umgang; meine Mappen und mein Handwerkszeug mochte ich kaum ansehen, da es mich immer an den unglücklichen Römer erinnerte und ich mir kaum ein Recht zu haben schien, das, was er mich gelehrt, fortzubilden und anzuwenden. Manchmal machte ich den Versuch, eine neue und eigene Art zu erfinden, wobei sich aber sogleich herausstellte, daß ich selbst das Urteil und die Mittel, die ich dazu verwandte, nur Römern verdankte. Dagegen las ich fort und fort, vom Morgen bis zum Abend und tief in die Nacht hinein. Ich las immer deutsche Bücher und auf die seltsamste Weise. Jeden Abend nahm ich mir vor, den nächsten Morgen, und jeden Morgen, den nächsten Mittag die Bücher beiseite zu werfen und an meine Arbeit zu gehen; selbst von Stunde zu Stunde setzte ich den Termin; aber die Stunden stahlen sich fort, indem ich die Buchseiten umschlug, ich vergaß sie buchstäblich; die Tage, Wochen und Monate vergingen so sachte und heimtückisch, als ob sie, leise sich drängend, sich selbst entwendeten und zu meiner fortwährenden Beunruhigung lachend verschwänden. Sonst, wenn ich die Bücher alter und fremder Völker las, füllten mich dieselben stets mit frischer Lust zur Arbeit, und selbst die neueren französischen oder italienischen Sachen waren, selbst wenn ihr Gehalt nicht vom erlauchtesten Geiste, doch von solcher Gestaltungslust getränkt, daß ich sie oft fröhlich wegwarf und auf eigenes Tun sann. Durch die deutschen Bücher hingegen wurde ich tief und tiefer in einen schmerzlichen Genuß unrechtmäßiger Ruhe und Beschaulichkeit hineingezogen, aus welchem mich der immer wache Vorwurf doch nicht reißen konnte. Ja, ich empfand trotz des bösen Gewissens sogar mehr und mehr eine Sehnsucht, selbst über den Rhein zu setzen und erst recht mitten in diese Welt zu geraten.
    Jedoch brachte der Frühling eine kräftige Erlösung aus diesem unbehaglichen Zustande; ich hatte nun das achtzehnte Jahr überschritten, war militärpflichtig geworden und mußte mich am festgesetzten Tage in der Kaserne einfinden, um die kleinen Geheimnisse der Vaterlandsverteidigung zu lernen. Ich stieß auf ein summendes Gewimmel von vielen hundert jungen Leuten aus allen Ständen, welche jedoch bald von einer Handvoll grimmiger Kriegsleute zur Stille gebracht, abgeteilt und während vieler Stunden als ungefüger Rohstoff hin-und hergeschoben wurden, bis sie das Brauchbare zusammengestellt hatten. Als sodann die Übungen begannen und die Abteilungen zum ersten Mal unter den einzelnen seltsamen Vorgesetzten, welches vielumhergeratene Soldatennaturen waren, zusammenkamen, wurde mir, der ich nichts bedacht hatte, unter Gelächter mein langes Haar dicht am Kopfe weggeschnitten. Aber ich legte es mit dem größten Vergnügen auf den Altar des Vaterlandes und fühlte behaglich die frische Luft um meinen geschorenen Kopf wehen. Jetzt mußten wir aber auch die Hände darstrecken, ob sie gewaschen und die Nägel ordentlich beschnitten seien, und nun war die Reihe an manchem biedern Handarbeiter, sich geräuschvoll belehren zu

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