Der gruene Heinrich [Erste Fassung]
tadeln durfte. Er war ein vollkommener Jäger, ging stets in rauher Jägertracht und hielt sich häufig auf dem Lande, im Gebirge auf, um Birkhühner zu schießen, sich in der Gemsjagd zu versuchen oder sich selbst den Männern des Gebirges anzuschließen, wenn sie nach einem seltenen Bären auszogen. Alle Vierteljahr malte er regelmäßig ein Bildchen vom allerkleinsten Maßstabe, nicht größer als sein Handteller, das in einem oder anderthalb Tagen fertig war. Diese Bildchen verkaufte er jedesmal ziemlich teuer, und aus dem Erlöse lebte er und rührte dann keinen Pinsel wieder an, bis die Barschaft zu Ende ging. Seine kleinen Werke enthielten weiter nichts als ein Sandbord, einige Zaunpfähle mit Kürbissen oder ein paar magere Birken mit einem blassen schwindsüchtigen Wölkchen in der Luft. Warum sie den Liebhabern gefielen und wie er selbst dazu gekommen, sie zu malen, wußte er nicht zu sagen und niemand. Erikson war nicht etwa ein schlechter Maler, dazu war er zu geistreich; er war gar kein Maler. Das wußte er selbst am besten, und aus humoristischer Verzweiflung verhüllte er die Nüchternheit und Dürre seiner Erfindungen und seine gänzliche Unproduktivität mit so verzwickten zierlichen Pinselstrichen, geistreichen Schwänzchen und Schnörkelchen, daß die reichen Kenner ihn für einen ausgesuchten Kabinettsmaler hielten und sich um seine seltsamen Arbeiten stritten. Seine größte, tiefsinnigste Kunst, und von wahrhaftem Verdienst, bestand in der weisen Ökomonie, mit welcher er seine Bildchen so anzuordnen wußte daß weder durch den Gegenstand noch durch die Beleuchtung Schwierigkeiten erwuchsen und die Inhaltlosigkeit und Armut als elegante Absichtlichkeit erschienen. Aber trotzdem waren jedesmal die anderthalb Tage Arbeit ein höllisches Fegefeuer für den biedern Erikson.
Seine Hünengestalt, die sonst nur in ruhig kräftiger Tat sich bewegte, ängstigte sich alsdann in peinlicher Unruhe vor dem kleinen Rähmchen, das er bemalte; er stieß mächtige Rauchwolken aus der kurzen Jägerpfeife, welche ihm an den Lippen hing, seufzte und stöhnte, stand hundertmal auf und setzte sich wieder und klagte, rief oder brummte »O heiliges Donnerwetter! Welcher Teufel mußte mir einblasen, ein Maler zu werden! Dieser verfluchte Ast! Da hab ich zuviel Laub angebracht, ich kann in meinem Leben nicht eine so ansehnliche Masse Baumschlag zusammenbringen! Welcher Hafer hat mich gestochen, daß ich ein so kompliziertes Gesträuch wagte? O Gott, o Gott, o Gott, o Gott! O
wär ich, wo der Pfeffer wächst! ei, ei, ei, ei! Das ist eine saubere Geschichte – wenn ich nur diesmal noch aus der Tinte komme! Oh! warum bin ich nicht zu Hause geblieben und ein ehrlicher Seemann geworden!«
Dann fing er aus Verzweiflung an zu singen, denn er sang so schön und gewaltig wie ein alter Seekönig, und sang mit mächtiger Stimme:
»O war ich auf der hohen See Und säße fest am Steuer!«
Er sang Lied auf Lied, Trinklieder, Wanderlieder, Jagdlieder, der Glanz und Duft der Natur kam über ihn, er pinselte in seiner Angst kühn darauf los, und seine winzige Schilderei erhielt zuletzt wirklich einen gewissen Zauber. War das Bildchen fertig, so versah es Erikson mit einem prachtvollen goldenen Rahmen, sendete es weg, und sobald er die gewichtigen Goldstücke in der Tasche hatte, hütete er sich, an die überstandenen Leiden zu denken oder von Kunst zu sprechen, sondern ging unbekümmert und stolz einher, war ein herrlicher Kumpan und Zechbruder und machte sich bereit, ins Gebirge zu ziehen, aber nicht mit Farben und Stift, sondern mit Gewehr und Schrot.
Der Hervorragendste an feinem Geiste und überlegenem Können in dem Bunde war ein Holländer aus Amsterdam, namens Ferdinand Lys, ein junger Mann mit anmutigen, verführerischen Gesichtszügen, der letzte Sprößling einer reichen Handelsfamilie, ohne Eltern und Geschwister, schon früh in der Welt alleinstehend und von halb schwermütiger, halb lebenslustiger Gemütsart, gewandt und selbständig und wegen des Zusammentreffens seines großen Reichtumes, seiner Einsamkeit und seines genußdürstigen Witzes ein großer Egoist.
Während mehrerer Jahre, welche Ferdinand in der Werkstatt eines berühmten genialen Meisters zugebracht, hatte sich sein glänzendes Talent immer bestimmter und siegreicher hervorgetan; indem er sich eifrig und aufrichtig der neuen deutschen Kunst anschloß, schrieb er mit seiner Kohle schon fast ebenso schön und sicher wie der Meister auf den Karton die
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