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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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und Abertausende von wilden Tauben, Hähern, Mandelkrähen, Finken, Weihen und Dohlen herumschwärmten, und das Wunderbare war nur, daß man auch die allerfernsten Vögel deutlich erkannte und ihre glänzenden Farben unterscheiden konnte. Nachdem Heinrich sich sattsam umgeschaut, ging er weiter und schaute wieder in die Tiefe, wo er jetzt eine noch viel tiefere Felsschlacht entdeckte, die aber für sich allein gänzlich von der Sonne erhellt war, welche durch irgendeine Bergspalte hereinbrach.
    Auf dem Grunde war eine kleine Wiese an einem klaren Bache; mitten auf der Wiese saß auf ihrem kleinen Strohsessel Heinrichs Mutter in einem braunen Einsiedlerkleide und mit eisgrauen Haaren. Sie war uralt und gebeugt, und Heinrich konnte ungeachtet der fernen Tiefe jeden ihrer Züge genau erkennen.
    Sie hütete mit einer grünenden Rute eine kleine Herde großer Silberfasanen, und wenn einer sich aus ihrem Umkreise entfernen wollte, schlug sie leise auf seine Flügel, worauf einige glänzende Federn emporschwebten und in der Sonne spielten. Am Bächlein aber stand ihr Spinnrad, das mit Schaufeln versehen und eigentlich ein kleines Mühlrad war und sich blitzschnell drehte; sie spann nur mit der einen Hand den leuchtenden Faden, der sich nicht auf die Spule wickelte, sondern kreuz und quer an dem Abhange herumzog und Sich da sogleich zu großen Flächen blendender Leinwand bildete. Diese stieg höher und höher hinan, und plötzich fühlte Heinrich ein schweres Gewicht auf seiner Schulter und entdeckte, daß er den vergessenen Mantelsack trug, der von den feinen Hemden ganz geschwollen war. Indem er sich mühselig damit schleppte, sah er, wie die Fasanen plötzlich schöne Bettstücke waren, die seine Mutter sonnte und eifrig ausklopfte. Dann nahm sie dieselben zusammen und trug sie geschäftig herum und eines ums andere in den Berg hinein. Wenn sie wieder herauskam, so schaute sie mit der Hand über den Augen sich um und sang:

    »Mein Sohn, mein Sohn,
    O schöner Ton!
    Wie schön er verhallt
    Im tönenden Wald!
    Mein Sohn, mein Sohn geht durch den Wald!«

    Ihre Stimme tönte rührend hell und klingend in der weit und breiten Stille; da ersah sie ihn plötzlich, als er hoch über der Schlacht auf seinem schwebenden Stege stand und sehnlich auf sie herabschaute. Sie stieß einen lauten, weithin verklingenden Freudenschrei aus und schwebte blitzschnell wie ein Geist davon über Stock und Stein, ohne zu gehen, so daß sie Heinrich immer in der größten Ferne zu entschwinden drohte, während er ihr vergeblich rufend nacheilte, daß die Baumkronen um ihn tanzten und sausten und der Steg sich bog und knarrte.
    Plötzlich war der Wald aus, und Heinrich sah sich auf dem steilen Berge stehen, welcher seiner Geburtsstadt gegenüberlag, aber welch einen Anblick bot diese! Der Fluß war zehnmal breiter als sonst und glänzte wie ein Spiegel; die Häuser waren alle so groß wie sonst die Münsterkirche, von der fabelhaftesten Bauart und leuchteten im Sonnenschein; alle Fenster waren mit einer Fülle der seltensten Blumen bedeckt, die schwer über die mit Bildwerk bedeckten Mauern herabhingen, die Linden stiegen in unabsehbarer Höhe in den dunkelblauen durchsichtigen Himmel hinein, der ein einziger Edelstein schien, und die riesenhaften Lindenwipfel wehten daran hin und her, als ob sie ihn noch blanker fegen wollten, und zuletzt wuchsen sie in die durchsichtige blaue Masse hinein, daß es vollkommen anzusehen war wie die Moospflänzchen, die man im Bernstein eingeschlossen sieht, nur unendlich größer.
    Zwischen den ungeheuren grünen Laubmassen der Linden stiegen die beiden gotischen Türme des Münsters empor, indessen das byzantinische Schiff der Kirche wie ein Steingebirge unter der Laubmasse lag; aber wo etwas davon sichtbar wurde, war es die künstlichste Bildhauerarbeit. Die beiden goldenen Kronen aber, welche, Heinrich wohlbekannt, die Turmknöpfe bildeten, funkelten in der Himmelshöhe und waren voll junger Mädchen, die darin tanzten. Obgleich er trotz des breiten Stromes jede Fuge an der Stadt und jedes einzelne Lindenblatt klar und scharf erkennen konnte, so konnte er doch nicht sehen, wer die Mädchen waren, und er beeilte sich hinüberzukommen, da es ihn sehr wundernahm, wer sie sein möchten.
    Zur rechten Zeit sah er den Goldfuchs neben sich stehen, legte ihm den Mantelsack auf und begann den jähen Staffelweg hinunterzureiten, der an die Brücke führte. Jede Staffel war aber ein geschliffener Bergkristall, in welchem

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