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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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seit er dies gewesen, aber dennoch glaubte er aus dem Grunde zu wissen, was Liebe sei, und hielt seine aufgeschriebenen Knabengeschichten noch immer für Meisterwerke leidenschaftlicher Erlebnisse. Und dennoch konnte er sich jetzo nicht entsinnen, auch nur ein einziges Mal etwa nicht geschlafen zu haben während jener Geschichten, und war ganz verblüfft, erst jetzt ein ihm bisher unbekanntes Gefühl seinen Rumor beginnen zu sehen, welches ganz anders ins Zeug und in die Tiefe zu gehen schien als alle jene Verwirrungen und Anfängerstückchen. Eine frohe Bangigkeit durchschauerte ihn, Furcht und Lust zugleich, sich selbst zu verlieren, und so gefährliche Dinge schienen sich da ankündigen zu wollen, daß er doppelt beschloß, sich am andern Tage zu flüchten.
    Aber als er in der Frühe geweckt wurde und ein Wagen schon im Hofe stand, während der Graf und Heinrich das Frühstück nahmen, war es ihm nicht möglich, mit einem Worte seines Entschlusses zu erwähnen, ja er dachte kaum noch daran, da es sich von selbst zu verstehen schien, daß er nie einen Augenblick im Ernste von der Seite dieser Person wegkäme. Ohne weiteres stieg er mit seinem Beschützer in den Wagen und mußte der Dorothea versprechen, sich in der Hauptstadt wieder einen grünen Rock anzuschaffen.
    Als er das versprach und der Wagen in den sonnigen Herbst hinausrollte in der gastlichen Gegend, war es ihm, als ob er böse wäre auf seine arme Mutter, die da im Vaterland säße und in ihrem Schweigen die unerhörtesten Ansprüche erhöbe, alles zu lassen und stracks ein ungeteiltes Herz zu ihr zu bringen; denn in seiner Konfusion und bei der Neuheit der Empfindung glaubte er, daß es jetzt um die Liebe zu seiner Mutter geschehen sein müsse, da er eine Fremde mit solchen Augen ansah, wie er noch nie eine angesehen.
    In der Stadt angekommen, sah er sich die Straßen, in denen er in seiner Trübseligkeit umhergegangen, mit Muße an und ging in Gedanken immer selbander durch dieselben hin. Er kaufte sich zwei große Stücke Leinwand und alles dazugehörige Zeug, auch versah er sich mit neuen Kleidern und Effekten, und endlich wollte der Graf auch den alten Trödler aufsuchen, um durchaus die größeren Sachen Heinrichs wiederzuerwerben, die derselbe ihm verkauft. Sie gingen miteinander hin und fanden in dem dunklen Gäßchen den kleinen Laden halb verschlossen. Die andere Hälfte stand nur so weit offen, soviel Licht einzulassen, als eine kleine armselige Auktion brauchte, welche in der Spelunke stattfand; denn das Männchen war vor wenigen Wochen gestorben.
    Dies tat Heinrich sehr weh, und er bereute es nun, nicht mehr zu dem Alten gegangen zu sein, da er es bei aller Wunderlichkeit so gut mit ihm gemeint hatte. Es trieben sich nur wenige geringe Leute in dem Laden herum und gingen die dunkle Treppe auf und nieder in der engen Wohnung des Verschwundenen, um den niemand sich sonst gekümmert hatte und der auch um niemanden sich gekümmert. Heinrichs Bilder waren noch alle da mit den übrigen Siebensachen, und es kostete wenige Mühe und noch weniger Mittel, derselben habhaft zu werden. Er verpackte sie im Gasthofe, sie nahmen dieselben gleich mit, und Heinrich sah mit angenehmen Gefühlen wenigstens den wesentlicheren Teil seines ehemaligen Besitztumes wieder beisammen und in einem guten Hause aufgehoben, wo er selbst so gern zeitlebens geblieben wäre.

Zwölftes Kapitel
    Was der Graf vorausgesagt, geschah nun wirklich. Heinrich schlug in einem hellen Gemache seine Werkstatt auf, zwei große ausgespannte Tücher luden mit ihrer weißen Fläche Auge und Hand ein, sich darauf zu ergehen, die alten Bilder und Kartons hingen stattlich an der Wand, und seine Studien lagen ihm bequem zur Hand. Man kann eine Übung lange Zeit unterbrochen haben und dennoch, wenn man sie zu guter Stunde plötzlich wieder beginnt mit einem neuen Bewußtsein und vermehrter innerer Erfahrung, etwas hervorbringen, das alles übertrifft, was man einst bei fortgesetztem Fleiße und hastigem Streben zuwege gebracht; eine günstigere Sonne scheint über dem spätern Tun zu leuchten. So ging es jetzt Heinrich; er machte zwei große Forstbilder, einen Laubwald und einen Nadelwald, welche er sich als freundlichen grünen Schmuck für ein lichtes kleines Gemach dachte oder für ein hübsches Treppenhaus, damit da etwa im Winter oder in den Stadtmauern einige Grünigkeiten seien. Die Motive nahm er weislich aus den forstreichen Umgebungen des Landsitzes und komponierte nicht viel darin

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