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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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herum, vielmehr fühlte er einmal das Bedürfnis, das Vorhandene wesentlich darzustellen und es für jedes offene Auge erfrischend und wohlgefällig zu machen. Er überhastete sich nicht und schleppte oder faulenzte nicht, sondern führte Zug um Zug fort, bei der Beschäftigung mit dem einen, ohne zerstreut zu sein, an den nächsten und an das Ganze denkend, und indem es ihm wohl gelang, freute er sich dessen und lachte darüber, ohne im geringsten seinen Entschluß zu ändern und etwa neue Hoffnungen auf dergleichen zu setzen. Indem er so sich mit etwas abgab, das er auf immer zu verlassen gedachte und nur aus äußeren Nützlichkeitsgründen noch einmal vornahm, behandelte er diese Arbeit doch mit aller Liebe und Aufmerksamkeit, und diese ruhige und klare Liebe gab ihm fast mühelos die rechten Mittel ein, so daß unversehens die Bilder eine Farbe bekamen, als ob er von jeher gut gemalt hätte und die Gewandtheit und Zweckmäßigkeit selber wäre. Dies machte ihm das größte Vergnügen, und er bereute gar nicht, daß es das erste und letzte Mal sein sollte, wo er ein guter Maler war, vielmehr dachte er schon während dieser Arbeit an die neue Zukunft, und während er zweckmäßige und besonnene klare Farben aufsetzte, gingen ihm allerhand Gedanken von der Zweckmäßigkeit des Lebens überhaupt durch den Kopf.
    Der Graf war kein Gelehrter, was man so heißt, aber er kannte den Wert und die Bedeutung aller Disziplinen und wußte für das, wessen er bedurfte, sich das Wesentliche sogleich zu beschaffen und anzueignen, und immer war bei ihm guter Rat und ein gesundes menschliches Urteil zu finden. Demgemäß waren auch seine Büchervorräte und andere Hilfsmittel beschaffen, so daß Heinrich ganz ordentliche Studien betreiben konnte in den Mußestunden und den langen Nächten; denn er war jetzt immer wach und munter, und eigentlich war ihm alles Mußezeit oder alles Arbeitszeit, er mochte machen, was er wollte. Er studierte jetzt verschiedene Geschichtsvorgänge ganz im einzelnen in ihrer faktischen und rhetorischen Dialektik, und fast war es ihm gleichgültig, was für ein Vorgang es war, überall nur das eine und alles sehend, was in allen Dingen wirkt und treibt, und eben dieses eine packen lernend, wie die jungen Füchse eine Wachtel.
    Neben diesen erheblichen Sachen fand er noch in dem Hause die beste Gelegenheit, manche gute und nützliche Dinge zu lernen, an welche er bisher nicht gedacht und deren Mangel er erst jetzt bemerkte. Obgleich der Graf seiner sogenannten radikalen Gesinnung und abweichender Handlungen wegen in der ganzen Gegend bei Standesgenossen und anderen Respektspersonen verschrieen und verhaßt war, so hielt er doch einen gewissen Verkehr mit ihnen aufrecht und zwang sie, während seiner Gegenwart wenigstens menschlich und möglichst anständig zu sein, wobei ihn seine Pflegetochter mit geringer Mühe und großem Erfolge unterstützte. So kam es, daß der Gehaßte und Verleumdete doch überall willkommen war und die verkommenen übelwollenden Gesichter gegen ihren Willen aufheiterte, so wie sie sich auch etwas darauf zugute taten, in sein Haus zu kommen, und trotz ihres Nasenrümpfens es nie verfehlten, wenn er von Zeit zu Zeit die Pflichten der Nachbarschaft übte. Heinrich, als aus den mittleren alten Schichten des Volkes entsprungen, hatte bis jetzt dergleichen nicht geahnt oder geübt. Wen er nicht leiden konnte, mit dem ging er nicht um und war gewohnt, seine Abneigung wenig zu verhehlen sowie auch jede Unverschämtheit sogleich zu erwidern und nichts zu ertragen, was ihn nicht ansprach. Diese Volksart, an sich gut und tugendhaft, ist in der gebildeten Gesellschaft hinderlich und unstatthaft, da in dieser wegen der Ungeschicklichkeit im Kleinen das Große und Wichtige gehemmt und getötet wird. Das Volk braucht nicht duldsam zu sein im Kleinen, weil es das Große zu ertragen versteht; jene aber, welche dieses ohnehin nicht haben oder es selten ertragen können, sind darauf angewiesen, für ihre Armut und Fratzenhaftigkeit Nachsicht und Duldung zu verlangen und gegenseitig zu üben, so daß hieraus ein starker Teil der guten Sitte entspringt, die sich sogar zu veredeln und etwas Tieferes zu werden fähig ist. So lernte jetzt Heinrich nach dem Beispiele des Grafen sich auf seinem Stuhle ruhig zu verhalten, die Fratzen, die Rotznasen und die Erbsenschneller zu ertragen und sich gegen jedermann artig zu benehmen, und was er erst mehr heuchelte, als in guten Treuen empfand, lernte er nach und

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