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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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nicht mehr zu beherrschen; bisher hatte er, als ein wohlgeschlossener junger Mensch, noch nie laut gedacht oder vor sich hingesprochen; jetzt zwitscherte und flüsterte er unaufhörlich, wo er ging und stand, und als er dies endlich entdeckte, war es ihm schon zur unentbehrlichen Gewohnheit geworden und schaffte ihm einige Erleichterung, weil die stille Luft wenigstens seine Gedanken hören konnte, da sonst niemand auf der Welt dieselben zu ahnen und zu erraten schien. Selbst der Graf befragte ihn gar nicht, was er hätte, und tat, als ob er gar nichts bemerkte von Heinrichs verändertem Wesen.
    »Oh«, sagte dieser unter den Bäumen, »was für ein ungeschickter und gefrorner Christ bin ich gewesen, da ich keine Ahnung hatte von diesem leidvollen und süßen Leben! Ist diese Teufelei also die Liebe? Habe ich nur ein Stückchen Brot weniger gegessen, als Anna krank war? Nein! Habe ich eine Träne vergossen, als sie starb? Nein! Und doch tat ich so schön mit meinen Gefühlen! Ich schwur, der Toten ewig treu zu sein; hier aber wäre es mir nicht einmal möglich, dieser Treue zu schwören, solange sie lebt und jung und schön ist, da dies sich ja von selbst versteht und ich mir nichts anderes denken kann! Wäre es hier möglich, daß meine Neigung und mein Wesen in zwei verschiedene Teile auseinanderfiele, daß neben dieser mich ein anderes Weib auch nur rühren könnte? Nein! Diese ist die Welt, alle Weiber stecken in ihr beisammen, ausgenommen die häßlichen und schlechten!
    Wenn diese schwer erkranken oder gar sterben sollte, würde ich alsdann imstande sein, dem traurigen Ereignis so künstlerisch zuzusehen und es zu beschreiben? O nein, ich fahle es! Es würde mich brechen wie einen Halm, und die Welt würde sich mir verfinstern, selbst wenn ich bestimmt wüßte, daß sie mich gar nicht leiden mag! Und dennoch, welch ein praktischer Kerl bin ich gewesen, als ich so theoretisch, so ganz nach dem Schema liebte und ein grünes Bürschchen war! Wie unverschämt hab ich da geküßt, die Kleine und die Große, zum Morgen-und Abendbrot! Und jetzt, da ich so manches Jahr älter bin und diese schöne und gute Person liebe, wird es mir schon katzangst, wenn ich nur daran denke, sie in unbestimmter Zeit irgendeinmal küssen zu dürfen, o weh, und doch möchte ich lieber den Kopf in das Grab stecken, wenn dieses mir nicht geschehen kann! Nicht einmal weiß ich mehr es anzufangen, ein Sterbenswörtchen gegen sie hervorzubringen!«
    Dann starrte er wieder über das Land hinaus; doch kaum waren einige Minuten vergangen, während welcher er neugierig eine Wolke oder einen Gegenstand am Horizonte betrachtet oder auch ein schwankendes Gras zu seinen Füßen, so kehrten die Gedanken wieder zu ihrer alten Last zurück; denn Dortchens goldenes hartes Bild lag so schwer in seinem Herzen, daß es ein Loch in selbes zu reißen drohte und nicht erlaubte, daß die Gedanken länger anderswo spazierengingen.
    Obgleich er im Grunde dies gern litt und geschehen ließ, so gedachte er doch nicht, sich daran aufzureiben, und begann andere Saiten aufzuziehen, indem er endlich bestimmt und deutlich festzustellen suchte, daß Dorothea gewiß nichts für ihn fühlte und daß ja auch gar kein vernünftiger Grund vorhanden sei, das etwa sich einzubilden. Er musterte ihr Betragen durch und bestärkte sich schmerzlich in dieser unerbaulichen Ansicht, da er ganz mürbe und demütig geworden war und jetzt nicht das geringste Liebenswürdige an sich fand. So bitter dieser selbstgemischte Trank anfangs zu trinken war, so brachte er doch einige Ruhe zurück, infolge derer die eingeschlafene Vernunft auch wieder auftauchte und den Aufgeregten in ihre kühlenden Arme nahm.
    Was dem einen recht, ist dem andern billig, und Wie du mir, so ich dir, sind die zwei goldenen Sprüche auch in Liebeshändeln, wenigstens bei gesunden und normalen Menschen, und die beste Kur für ein krankes Herz ist die unzweifelhafte Gewißheit, daß sein Leiden nicht im mindesten geteilt wird.
    Nur eigensinnige, selbstsüchtige und krankhafte Verfassungen laufen Gefahr, sich aufzulösen, wenn sie durchaus nicht geliebt werden von denen, auf die sie ihr Auge geworfen. Aber was hätte sein können und nicht geworden ist, macht wirklich unglücklich, und kein Trost hilft, daß die Welt weit sei und hinter dem Berge auch noch Leute wohnen; denn nur das Gegenwärtige, was man kennt, ist heilig und tröstlich, und es ist jammerschade um jedes totgeborene Lebensglück.
    Da nun der verliebte

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