Der gruene Heinrich [Erste Fassung]
Heinrich bei sich ausgemacht hatte, daß Dortchen gar nicht an ihn denke, ward er um vieles ruhiger und befand sich am sechsten Tage seines Lebens in der Wildnis schon so weit, daß er darüber ratschlagen konnte, ob er, zum Danke für ihre Liebenswürdigkeit und Schönheit, es ihr sagen wolle oder nicht. Er gedachte sich im ersten Falle wieder auf einen unbefangenen und guten Fuß mit ihr zu setzen und ihr alsdann gelegentlich, eh er abreiste und wenn sie einmal recht artig gegen ihn wäre, lachend und manierlich zu gestehen, welchen Rumor sie ihm angerichtet, und ihr zugleich zu sagen, sie sollte sich nicht im geringsten darum kümmern, er habe es ihr nur sagen wollen, um ihr vielleicht eine kleine Freude zu machen, die sie so sehr verdiene; im übrigen sei nun alles wieder gut und er wohl und munter! Vor Spott und Schadenfreude war er sicher bei ihr, jedoch tauchte ihm sogleich die Besorgnis auf, man dürfte am Ende ein solches Geständnis doch für eine verkappte ernstliche Liebeserklärung und angelegte Schlauheit ansehen. Diese Idee machte ihn sogleich wieder traurig, da er nun es doch verschweigen mußte, und wie er dies einsah, schien es ihm erst unmöglich zu sein und seine Gemütsruhe nur dann wieder erreichbar, wenn er sein bestandenes Ungewitter bekennen durfte, am liebsten der Erregerin desselben selbst. Auch schien ihr diese Kunde durchaus von Rechts wegen zu gebühren, und Heinrich war ihr so gut, daß er ihr ohne allen Eigennutz nicht das Geringste entziehen mochte, was ihr zukam. Daher rief er endlich »Ich sag es ihr doch!« Aber dann fürchtete er wieder, es möchte dennoch ein Mißverständnis hervorgerufen werden und er endlich unter einem schlimmen Eindruck aus dem Hause abziehen müssen, und er rief wieder »Nein! Ich sag es doch nicht! Was geht es sie an?« Endlich nahm er ein flaches rundes Steinchen aus dem klaren Bächlein, das auf einer Seite rosenrot und auf der anderen Seite milchweiß gefärbt war mit blauen Äderchen, und warf selbiges in die Höhe. Wenn die rote Seite oben läge, wollte er reden, wenn die weiße, wollte er schweigen. Die weiße Seite lag oben, und Heinrich war wieder ganz unglücklich, als sie da in der Sonne glänzte. »Ach«, flüsterte er, »dies ist nichts! wer wird alles auf einen Wurf wagen? Dreimal will ich werfen und dann gewiß nicht mehr!« Und er warf wieder und abermals weiß. Zögernd und seufzend warf er zum dritten Mal, da glänzte es rot, und ebenso rot ward sein Gesicht, und eine unaussprechliche Freude strahlte auf demselben. »O nun will ich es ihr sagen!« sagte er, und ein Stein fiel ihm vom Herzen, und er dachte, nun wäre alles gut.
Der Herzenskundige wird hier wohl bemerken, daß diese Fröhlichkeit nur von der leisen Hoffnung herrührte, welche sich in Heinrichs Vorsatz mit einschlich, und daß er, ohne es zu wollen, dennoch im Begriffe war, jene Schlauheit zu begehen, welche er sich nicht zuschulden wollte kommen lassen.
Es war gerade Sonnabend, und der Tag näherte sich seinem Ende. Er nahm sich also vor, noch bis in die Nacht umherzustreifen und am Sonntagmorgen dann guter Dinge zu sein, wieder ein unbefangenes Gesicht zu machen und, sobald sich der günstige Augenblick böte, ihr unter Scherz und Lachen sein Bekenntnis abzulegen mit der gemessensten Aufforderung, daß sie sich gar nichts daraus machen und die Sache einzig wie eine kleine Morgenerheiterung aufnehmen solle. Der arme Teufel, wie er sich selbst belog!
Der Sonntagmorgen geriet wunderschön, der reine Himmel lachte durch alle Fenster in das helle Haus, und der Garten blühte schon an allen Enden.
Heinrich war wirklich guter Dinge und putzte sich sorgfältiger heraus als gewohnt; er verlor den Mut nicht, da er sich einbildete, nichts erreichen zu wollen, sich allein wie ein Kind auf die herzliche Plauderei freuend, die er ihr vormusizieren wollte, und sich davon ein reines und ungetrübtes Glück und ein ruhiges Leben versprechend. Und es fielen ihm tausend Narrheiten in den Sinn, welche er dazwischenflechten wollte, um Dortchen zu ergötzen, damit sie ja nicht die mindeste Unruhe oder Betrübnis verspüren sollte. So war er in der rosigsten Laune, und das Herz klopfte ihm stark und lebendig, und indem ihm fortwährend neue Witze einfielen, über die er lachen mußte, traten ihm zugleich Tränen in die Augen, so sehr freute er sich darauf, ihr nun endlich gegenüber zu sein und mit ihr zu plaudern.
Aber es fand sich, daß Dortchen schon am Sonnabend viele Meilen weit
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