Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
Vom Netzwerk:
wurden. Steinbilder ragten in langen Reihen von hohen Zinnen in die dunkelblaue Luft, Paläste, Theater, Kirchen bildeten große Gesamtbilder in allen möglichen Bauarten, neu und glänzend, und wechselten mit dunklen Massen geschwärzter Kuppeln und Dächer der Rats-und Bürgerhäuser. Aus Kirchen und mächtigen Schenkhäusern erscholl Musik, Geläute, Orgel-und Harfenspiel; aus mystisch-verzierten Kapellentüren drangen Weihrauchwolken auf die Gasse; schöne und fratzenhafte Künstlergestalten gingen scharenweise vorüber, Studenten in verschnürten Röchen und silbergestickten Mützen kamen daher, gepanzerte Reiter mit glänzenden Stahlhelmen ritten gemächlich und stolz auf ihre Nachtwache, während Kurtisanen mit blanken Schultern nach erhellten Tanzsälen zogen, von denen Pauken und Trompeten herübertönten. Alte dicke Weiber verbeugten sich vor dünnen schwarzen Priestern, die zahlreich umhergingen; in offenen Hausfluren dagegen saßen wohlgenährte Bürger hinter gebratenen jungen Gänsen und mächtigen Krügen; Wagen mit Mohren und Jägern fuhren vorbei, kurz, ich hatte genug zu sehen, wohin ich kam, und wurde darüber so müde, daß ich froh war, als ich endlich in dem mir angewiesenen Zimmer des Gasthofes Mantel und Totenkopf ablegen konnte.

Elftes Kapitel
    Die Maler
    Gehe ich mit der Erinnerung meinem damaligen Wandel nach, so gestaltet sich derselbe erst um die Zeit wieder etwas deutlicher, wo ich gegen anderthalb Jahre am Musenorte mehr oder weniger inkognito zugebracht. Denn weder meine Vorbereitung noch meine Lebenskunde waren geeignet gewesen, mein Tun und Lassen rasch in eine feste Form zu leiten.
    In diesem Übergangsschatten herumsuchend, sehe ich mich eines Nachmittags bei guter Zeit die Palette reinigen und die Pinsel auswaschen, mit denen ich den Kampf mit einem auf Hörensagen begonnenen Ölmalen führte.
    Ich sehe mich noch den schlichten breitrandigen Hut ergreifen, den ich längst statt des sentimentalen Sammetbarettes trug, und den Weg zu einem neuen Bekannten antreten, um denselben noch bei der Arbeit zu finden und ihm eine flüchtige Weile zuzuschauen, ehe wir den verabredeten Gang ins Freie unternahmen. Ohne alle Empfehlungen angekommen und auch ohne Mittel, mich in die Werkstatt eines in der Wolle des Gelingens sitzenden Meisters einzudingen, war ich darauf angewiesen, in den Vorhöfen des Tempels zu stehen und da oder dort durch die Vorhänge zu gucken, was immer seine Schwierigkeit hatte. Denn von den Scholaren, wie sie im Durchschnitte sind, war nichts zu lernen, und sobald die jungen Leute durch den Verkauf eines Werkleins sich als angehende Meister betrachten lernten, wurden sie in der Mitteilung ihrer Kunstgeheimnisse zugeknöpft und einsilbig. Schon war ich einmal zurückgeschreckt worden, als ich mich auf ausdrückliche Einladung hin bei einem Derartigen schüchtern zum Besuche meldete und er mich an der Türe mit der hochmütigen Entschuldigung abwies, er halte soeben Konferenz mit seinem Literaten, um »den Mann« für die Besprechung eines neuen Bildes zu instruieren. Auch in der Idealwelt der Kunst sind Kümmel und Salz reichlicher als Ambrosia, und wenn die Leute wüßten, wie klein und ordinär es in den Köpfen mancher Maler, Dichter und Musikanten aussieht, so würden sie einige dem Völklein nur schädliche Vorurteile aufgeben.
    Mein neuer Freund, Oskar Erikson, war jedoch eine gerade und einfache Natur. Mit seiner ganzen langen und breitschultrigen Gestalt und in seinem dichten Goldhaar, welches vom hoch einfallenden Lichte gestreift wurde, saß er vor einem winzigen Bildchen, an dem er malte. Sonst war, außer einigen Skizzenbüchlein, in dem geräumigen Zimmer nichts zu erblicken als ein paar Jagdflinten an der Wand, auf dem Boden ausgestreckte Wasserstiefel und auf dem Tische liegende Pulverhörner und Schrotbeutel neben einigen Büchern.
    Eine kurze Jägerpfeife im Munde, rückte die Hünengestalt eben, als ich eintrat, mächtige Rauchwolken ausstoßend, auf dem Stuhle stöhnend und brummend hin und her, stand auf, setzte sich wieder, warf die Pfeife weg, daß das glimmende Kraut umherfuhr, zielte mit dem Pinsel und rief in abgebrochener Weise: »O heiliges Donnerwetter! Welcher Teufel mußte mir einblasen, ein Maler zu werden! Dieser verfluchte Ast! Da hab ich zuviel Laub angebracht, ich kann in meinem Leben nicht eine so ansehnliche Masse Baumschlag zusammenbringen! Welcher Hafer hat mich gestochen, daß ich ein so kompliziertes Gesträuch wagte? O Gott, o

Weitere Kostenlose Bücher