Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]
aufzugeben und heimzukehren, als ihn die Nachricht von dem Ruin des väterlichen Hauses ereilte. Derselbe war so vollständig und hoffnungslos, wenigstens auf Jahre hinaus, daß die Heimkehr des Sohnes als eine Vermehrung des Übels betrachtet und bestimmt gewünscht wurde, er möge zusehen, wie er sich mit den Früchten seines bisher so löblichen Fleißes nun weiterhelfe.
So war denn sein Entschluß bald verändert. Mit unbestechlich bedächtiger Selbstkritik durchsuchte und verglich er das ganze Gebiet dessen, was in seinem Vermögen stand, und gelangte nach reiflichem Nachdenken zu dem Ergebnisse, daß er mit Sicherheit und Verständnis allereinfachste Landschaftsbilder im kleinsten Maßstabe, belebt mit vorsichtig hingesetzten Figürchen, alles dies mit einem gewissen Reiz ausgeführt, hervorbringen könne. Ohne Zaudern machte er sich daran, und zwar mit redlichem und anständigem Sinne. Denn anstatt mit leichter Arbeit auf falsche Effekte und irgendein manieriert modisches Gepinsel loszugehen, das sich sozusagen von selbst hinschmiert (gerade das wäre für manchen andern so recht angezeigt gewesen), blieb er wie ein wahrer Gentleman den Grundsätzen einer ehrlichen Vorbereitung und Vollendung getreu, und hiemit erneuerte sich bei jedem neuen Bildchen für ihn Arbeit und Mühe. Glücklicherweise gelang die Sache.
Gleich das erste Produkt, das er ausstellte, wurde rasch verkauft, und es dauerte nicht lange, so suchten die für feinere Kenner geltenden Sammler die sogenannten Eriksons zu guten Preisen zu erwerben.
Ein solcher Erikson enthielt etwa im Vordergrunde ein helles Sandbord, einige Zaunpfähle mit Kürbisranken, im Mittelgrunde eine magere Birke, dann aber einen weiten flachen Horizont, dessen wenige Linien, mit weiser Berechnung angelegt und in Verbindung mit der einfach gehaltenen Luft, die Hauptwirkung des Werkleins hervorbrachten.
Obgleich dergestalt Erikson als echter Künstler angesehen wurde, verleitete ihn das weder zur Selbstüberschätzung noch zum Geiz; sobald seinem Ausgabenbedürfnisse genügt war, warf er Pinsel und Palette hin und ging ins Gebirge, wo er sich als Jagdgenosse so einheimisch gemacht, daß er sogar zur Bärenjagd, wenn sich eine solche auftat, zugelassen wurde. Den größern Teil des Jahres brachte er, fern von der Stadt, auf diese Weise zu.
Es gehörte nur zum Bilde des allgemeinen Lebens und seines Haushaltes, wenn ich jetzt genötigt war, dem wackern Gesellen, der sich selbst nicht für einen Meister hielt, die Geheimnisse des Handwerks abzulauschen.
»Nun ist's aber genug!« rief Erikson plötzlich, »auf die Art kommen wir nicht fort. Überdies wollen wir im Vorbeigehen einen Kameraden abholen, bei dem Sie Besseres sehen können, heißt das, wenn wir Glück haben! Kennen Sie Lys, den Niederländer?«
»Nur vom Hörensagen«, versetzte ich; »ist es der Sonderling, von dem niemand weiß, was er malt? der niemanden in seine Werkstatt läßt?«
»Mich läßt er schon hinein, weil ich kein Maler bin! Sie vielleicht auch, weil Sie noch nichts können und es noch unentschieden ist, ob Sie überhaupt je ein Maler sein werden! Na, werden Sie nur nicht mauserig, etwas werden Sie schon werden und sind es ja bereits. Lys hat's Gott sei Dank nicht nötig, er ist reich und kann schon alles, was er will, nur ist es nicht viel; denn er tut fast nichts. Am Ende ist er auch kein Maler, wenigstens sollte man keinen so heißen, der nicht wirklich malt, er müßte denn Abhaltungen haben wie jener Leonardo, der Talerstücke an die Domkuppel warf!«
Ich half ihm rasch sein Zeug reinigen, das er stets in so guter Ordnung hielt, daß er auch jetzt nachsah, wie ich es gemacht. »Denn es ist nicht gleichgültig«, sagte er, »ob man mit Mist malt, wenn man doch die Absicht hat, einen lautern Ton zu treffen. Wer immer Dreck in seinem Zeug hat oder das Unverträgliche mischt, ist wie ein Koch, der das Rattengift zwischen die Gewürze stellt. Aber die Pinsel sind rein, Gott segne Sie! von diesem Punkte aus kann man Sie unbescholten nennen! Sie haben eine ordentliche Mutter, oder ist sie tot?«
Nachdem wir einige Straßen zurückgelegt, betraten wir die Niederlassung des mysteriösen Niederländers, welche so gewählt war, daß die Fenster des geräumigen, von ihm allein bewohnten Stockwerkes auf den freien Horizont und offenen Himmel hinausgingen und von der Stadt selbst nichts zu sehen war als ein paar edle Architekturen und massige Baumgruppen. Befand man sich in dieser Gegend auf freier
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