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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Gott! wär ich, wo der Pfeffer wächst! ei, ei, ei, ei! Das ist eine saubere Geschichte – wenn ich nur diesmal noch aus der Tinte komme!«
    Plötzlich fing er ans Verzweiflung machtvoll an zu singen:
    »O wär ich auf der hohen See Und säße fest am Steuer!«

    was ihm zum Durchbruch zu verhelfen schien; denn der Pinsel saß jetzt an der rechten Stelle und arbeitete mehrere Minuten gemächlich fort, indessen Erikson die angefangene Melodie immer ruhiger und gedämpfter wiederholte und endlich verstummte und still weitermalte. Aber offenbar um Gott nicht allzulange zu versuchen, sprang er unversehens auf und betrachtete, einen Schritt zurücktretend, mit höchster Zufriedenheit den alten Dessauermarsch pfeifend, sein Werk. Dann setzte er das Gepfiffene in Worte um und sang, indem er das Rauchzeug wieder zusammensuchte: »So leben wir, so leben wir, so leben wir alle Tage« usf., wobei er endlich meine Anwesenheit entdeckte.
    »Sehen Sie, wie ich mich plagen muß!« rief er, mir unbefangen die Hand schüttelnd; »seien Sie froh, daß Sie ein gelehrter Komponist und Kopfmaler sind, der nichts zu können braucht, während so ein armer Teufel von Handelsmaler nicht weiß, wo er die Tausende von bargültigen Halbtönchen, Druckerchen und Lichtchen auftreiben soll, um seine kabinettsfähigen vierzig Quadratzoll nicht allzu schwindelhaft zu überstreichen!«
    Das war durchaus nicht ironisch gemeint; vielmehr betrachtete er seine Arbeit von neuem mit mißtrauischen Augen und setzte sich wieder hin, um noch ein bißchen sein Heil zu versuchen, indessen ich ihm gespannt zuschaute, wie er auf der großen Palette mit ängstlicher Vorsicht reine und sichere Tinten aussonderte, mischte und in der beschriebenen Weise auftrug. Wie er später, bei entwickelter Vertraulichkeit, von sich selbst behauptete, war er nicht etwa ein schlechter Maler (dazu war er allerdings zu geistreich), sondern im wesentlichen Sinne der Frage gar keiner. Ein Kind der nördlichen Gewässer, von der Grenzmark zwischen den Deutschen und Skandinaviern herstammend, Sohn eines in guten Umständen lebenden Seefahrtsmannes, hatte er in den ersten Jugendjahren ein anmutiges Geschick bekundet, mit gewandtem Stifte zu skizzieren, was ihm vor die Augen kam, und hauptsächlich für das jährliche Schulexamen prunkende Schaustücke in schwarzer Kreide angefertigt. Durch den Einfluß eines jener verkümmerten Zeichenlehrer, welche die Dürftigkeit ihrer Existenz mit unversieglicher Begeisterung zu verhüllen oder zu verbessern trachten und überall mit unseligem Aufstacheln zur Hand sind, war er vom freisinnigen Mut einer glücklichen Familie, sich selbst nur halb bewußt, der Kunst zugewendet worden, nicht ohne daß jener Lehrer hiebei manches kräftige Liebesmahl und auch klingenden Lohn für allerlei Rat und Tat zu genießen wußte. Die ungewöhnliche Laufbahn schien auch dem hellen und fröhlichen Sinn des Jünglings, seiner unbändig emporwachsenden Kraft eher zu entsprechen als der Aufenthalt in der väterlichen Schreibstube. So wurde er denn, im Widerspiel mit so vielen andern Jünglingen in ähnlicher Lage, unter bester Zustimmung und Hoffnung, wohlausgestattet und empfohlen, zur Reise nach den berühmtesten Kunstschulen entlassen und fand bei den namhaftesten Meistern, welche ihre Werkstätten zu öffnen pflegten, willige Aufnahme. Im Anfange ging die Entwicklung ganz frisch und ohne Unterbruch vonstatten, besonders da der junge Mann, zwar nicht übereifrig und mehr lebenslustig, doch keine wirklichen Pausen in seinem Fleiße eintreten ließ und sowohl mit seiner prächtigen Gestalt als seinem heiter frohen Ernste eine Zierde der Ateliers bildete. Aber die Fortschritte gingen nur bis zu einer gewissen Grenze und standen dann unerbittlich still, auf geheimnisvolle Weise, da jedermann die schönsten Hoffnungen hegte und in der Führung des männlich ruhigen Scholaren keine Änderung eingetreten war. Erikson ward des Phänomens zuerst inne, glaubte aber dagegen ankämpfen, dasselbe überwinden und beseitigen zu sollen. Er veränderte den Ort, versuchte sich auf allen Gebieten, wechselte Meister um Meister – umsonst, er fühlte, daß ihm die Gewalt zur Erfindung sowohl wie zur Fülle der Ausführung abging, daß ihn das innere Sehen auf einem deutlich erkennbaren Punkte verließ oder höchstens sich vereinzelt gleich einem glücklichen Würfelspiel einstellte, welches sich nicht wiederholte, und schon hatte er sich entschlossen, den beschämenden Kampf

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