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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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eine Art Verwünschung, die er mir auf den Weg gab, obgleich zu meinem Besten, wie er meinte.
    Auf dem nächsten Stocke, den ich nun besuchte, wohnte ein kleiner Mechanikus, welcher mit allerlei volkstümlichen Genauigkeitswerkzeugen, wie Waagen, Maßstäben, Zirkeln, dann mit Kaffeemühlen, Waffeleisen, Äpfelschälmaschinchen handelte, dergleichen auf Verlangen auch ausbesserte mit Hilfe eines alten Arbeiters. Zugleich aber bekleidete er das Amt eines Eichmeisters über einen Kreis, prüfte Maß und Gewicht und kerbte, schlug und schliff die Zeichen in die betreffenden Gegenstände. Vorzüglich mit den vielen Schenkwirten führte er einen beständigen Krieg, wenn sie mit allen Ränken und öfterm Wechsel ihres Glasgeschirres das Gesetz zu umgehen suchten. Nun trieb ihn die Leidenschaft, nicht nur darüber zu wachen, daß das Geschirr richtig geeicht sei, sondern auch darüber, daß es gehörig gefüllt werde, und er zog von einem Wirtshaus ins andere, um nachzusehen, wo das Getränke unter dem Strich blieb und die Gäste sich das gefallen ließen. Bei dieser Gelegenheit verlor er selbst das Maß und verfiel einem Trinken unzähliger halber Schöppchen, aus dem er sich nicht mehr losnesteln konnte, so genau und scharf er auch jedes einzelne betrachtete, bevor er es zu sich nahm. Noch unrasiert und im Werktagshabit wartete er jetzt auf seinen Morgenkaffee, welchen die Frau still bereitete; denn sie hielt mit ihren spitzigen Strafreden klug zurück, bis der letzte Rest der Weinlaune, aus welchem er noch Kraft zum Widerstande schöpfen konnte, abgestorben und nur noch die Schwäche übrig war, die sie jeden Tag nutzlos mit Worten zusammenhieb. Der Eichmeister goß in ein zylindrisches Gläschen, das zum Ausgleichen und Abwägen kleiner Mengen diente, etwas Kirschgeist, da die Frau aus Neid oder Bosheit sein letztes Kelchgläschen zerbrochen habe Diese metrische Erquickung setzte er mir vor, während er sich selbst einen tüchtigen Schluck in ein größeres Glas schenkte, als willkommenes Mittel, den Zustand seiner Wehrbarkeit etwas zu verlängern. Im ungekämmten Haare kratzend, sah er mich aus geröteten Augen blitzelnd an, seufzte und behagte die Unsitte, sich den Sonntagmorgen immer durch das lange Sitzen in der Samstagsnacht zum voraus zu verderben. Dann sagte er:
    »Ich bin Euerer Mutter, Herr Lee, noch den letzten Hauszins schuldig; es wäre daher nicht schicklich, wenn ich Euch ein noch so bescheidenes Reisegeschenk anbieten wollte. Dafür will ich Euch aber einen guten Rat auf den Weg geben, der Euch, insofern Ihr ihn befolget, nützlich sein wird. Haltet immer auf rechte Gesellschaft und einen fröhlichen Sinn; aber Ihr möget reich oder arm, beschäftigt oder müßig, geschickt oder ungeschickt sein, geht niemals am Tage ins Wirtshaus, sondern wartet den Abend ab! Das ist der Standpunkt eines gesitteten und gebildeten Mannes, was ich leider nicht mehr bin! Und auch am Abend gehet eher spät als früh; es gibt nichts, das so ehrbar und angenehm wäre als der zuletzt erscheinende Gast, vorausgesetzt, daß er nicht aus andern Wirtshäusern kommt. Freilich kann nicht jeder nach dieser Ehre trachten, weil auch einer oder mehrere die ersten sein müssen, andere die mittleren usw.; dann aber nehmt Euer bescheidenes Maß entschlossen zu Euch und brecht ebenso entschlossen wieder auf, oder wenigstens hockt nicht mit langweiligem Geschwätz vor leeren Gläsern; lieber lasset diese nochmals füllen, als daß Ihr dem Wirte auf so niederträchtige Art die Nacht stehlet wie die Tagediebe dem Herrgott den Tag! Und nun will ich Euch zum guten Abschied noch eichen, daß Ihr in allen Dingen Maßhaltet!«
    Er holte ein längliches Futteral herbei, nahm aus demselben ein amtliches Urmaß, fein aus glänzendem Messing gearbeitet, legte es mir an den Hals und sagte:
    »Bis hier hinauf und nicht weiter dürfen Glück und Unglück, Freude und Kummer, Lust und Elend gehen und reichen! Mag's in der Brust stürmen und wogen, der Atem in der Kehle stocken! der Kopf soll oben bleiben bis in den Tod!«
    Da der blanke Metallstab sich kalt anfühlte, so hatte ich am Halse die Empfindung, wie wenn eine gebieterische Einwirkung in der Tat stattgefunden hätte, und ich wußte nicht, ob Torheit oder Weisheit aus dem Manne sprach.
    Auch lachte er gleich mir, als er sich zu seinem Frühstück setzte und ich meines Weges weiterging.
    Nun kam ich an eine verschlossene Türe, was ich eigentlich hätte vermuten können. Dort wohnte nämlich ein

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