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Der grüne Strahl

Der grüne Strahl

Titel: Der grüne Strahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Insel Kerrera aus möglich gewesen? Auch nicht. Die vorgelagerte große Insel Mull gestattete höchstens einen Blick nach einem sehr beschränkten Theil des Atlantischen Oceans in der Richtung nach Südwesten. Wenn man hingegen an der Küste hinabging, gelangte man nach der kleinen Insel Seil, deren nördlichster Punkt durch eine Brücke mit dem Festlande Schottlands verbunden ist. Hier konnte nichts den Ausblick nach Westen über zwei Fünftel des Compasses behindern.
    Sich nach dieser Insel zu begeben, dazu bedurfte es nur eines Spazierweges von vier bis fünf Meilen, nicht mehr, und bei passender Witterung konnte ein vorzüglicher, mit schnellfüßigen Pferden bespannter Wagen Miß Campbell und ihre Begleitung dahin bequem binnen einundeinerhalben Stunde bringen.
    Zur Bekräftigung seiner Aussage verwies der redegewandte Hôtelier noch auf die im Vestibül des Hauses aushängende, in großem Maßstabe entworfene Karte der Umgebung. Miß Campbell konnte sich also unschwer überzeugen, daß Meister Mac-Fyne die Wahrheit sagte. Wirklich verbreitete sich seewärts der Insel Seil ein breiter, mindestens ein Drittel des Horizonts umfassender Sector, welchen die Sonne während mehrerer Wochen vor und nach der Tagundnachtgleiche durchzog.
    Die Sache ordnete sich also zur größten Zufriedenheit des Meisters Mac-Fyne und zur größten Bequemlichkeit der Brüder Melvill. Miß Campbell sicherte ihnen edelmüthig volle Verzeihung zu und unterließ sogar jede verletzende Anspielung bezüglich der Anwesenheit des Aristobulos Ursiclos.
    »Aber, sagte Bruder Sam, es ist doch merkwürdig, daß gerade Oban keinen Meereshorizont hat!
    – Ja, die Natur hat eben ihre Launen!« antwortete Bruder Sib.
    Aristobulos Ursiclos war ohne Zweifel sehr glücklich, daß Miß Campbell nun nicht fortging, um eine für ihre meteorologische Beobachtung geeignetere Oertlichkeit aufzusuchen; er war aber so vertieft in seine wissenschaftlichen Probleme, daß er ganz vergaß, seine Befriedigung darüber zu erkennen zu geben.
    Das phantastische junge Mädchen wußte ihm Dank für seine Zurückhaltung, denn, wenn sie sich auch hinfort indifferent benahm, so empfing sie ihn doch weniger kühl, als bei der ersten Begegnung.
    Inzwischen hatte sich der Zustand des Himmels einigermaßen verändert. Wenn das Wetter auch noch schön blieb, so verdeckten doch stets einzelne Wolken, welche auch die Mittagshitze nicht aufzulösen vermochte, den Horizont beim Auf-und Untergang der Sonne. Es wäre demnach ganz nutzlos gewesen, einen Beobachtungspunkt auf der Insel Seil aufzusuchen; das mußte vergebliche Mühe sein, und so galt es denn, sich in Geduld zu fassen.
    Während dieser langen Tage schweifte Miß Campbell, welche ihre Onkels gern der Gesellschaft des Verlobten ihrer Wahl überließ, manchmal in Begleitung der Frau Beß, meist aber allein, auf dem Vorlande der Bai umher.
    Sie vermied gern jene Welt von Müßiggängern, welche, fast überall in ganz gleichem Charakter, die flottirende Bevölkerung der Badeorte bildet; Familien, deren einzige Beschäftigung darin besteht, das Meer sinken und steigen zu sehen, während die kleinen Mädchen und Knaben mit echt britannischer Ungebundenheit der Bewegung über den flüchtigen Sand kollern; schon alte, ernste und phlegmatische Herren unter häufig gar zu rudimentärem Badecostüm, deren Hauptgeschäft darin besteht, sich sechs Minuten lang in das salzige Wasser zu tauchen; dazu Herren und Damen von größter »
respectability
«, welche regungslos und steif auf den grünen Holzbänken mit rothen Kissen sitzen und einige Seiten eines cartonuirten, illustrirten und meist überaus enggedruckten Buches durchblättern, wie man solche als Erzeugnisse der englischen Typographie leider gar zu oft findet; ferner einzelne Touristen mit dem Fernglase am Riemen, den Schlapphut auf der Stirne, lange Gamaschen an den Beinen und den Sonnenschirm unter dem Arme, welche gestern angekommen sind und morgen wieder weiterziehen werden; endlich, inmitten jener Menge, Händler mit ausschließlich tragbarer und beweglicher Industrie, Elektriker, welche das geheimnißvolle Fluidum für zwei Pence Jedem verkaufen, der zum Probiren desselben Lust verspürt; Künstler, deren mechanisches Piano auf Rädern Motive aus einheimischen Liedern mit verunstalteten französischen Chansonnettes vermischt; Photographen unter freiem Himmel, die von zufällig zusammensitzenden Familien sofort Dutzende von Augenblicksbildern liefern; Händler im schwarzen

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