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Der grüne Strahl

Der grüne Strahl

Titel: Der grüne Strahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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vielleicht die Güte haben, mir zu zeigen, wo derselbe sich findet?«
    Verdutzt drehten sich die Brüder Melvill nach allen Seiten um.
    Geradeaus, aber ebenso nach Südwesten, wie nach Nordosten, zeigte sich zwischen den vorgelagerten Inseln kein freier Raum, wo Himmel und Wasser hätte zusammentreffen können. Seil, Kerrera und Kismore bildeten eine ununterbrochene Brücke von einem Lande zum andern. Man mußte wohl oder übel zugestehen, daß der verlangte und versprochene Horizont in Oban fehlte.
    Die beiden Brüder hatten darauf bei ihrer Promenade längs des Strandes gar nicht geachtet. So machte sich ihre Verwunderung in den zwei echt schottischen Interjectionen Luft, welche eine gewaltige Enttäuschung, vermischt mit etwas übler Laune, bezeichnen, indem der Eine
    »Pooh! ausrief, und der Andere mit
    – Pswha!« antwortete.
Achtes Capitel.
Ein Wölkchen am Horizont.
    Jetzt war einer Erklärung nicht auszuweichen; da Aristobulos Ursiclos aber damit nichts zu thun hatte, grüßte ihn Miß Campbell kühl und wandte sich nach dem Caledonian-Hôtel zurück.
    Aristobulos Ursiclos hatte den Gruß des jungen Mädchens nicht minder kühl erwidert. Offenbar hatte die Erfahrung, seine gelehrte Persönlichkeit mit einem Grünen Strahl gleichwerthig angesetzt zu sehen, auf ihn wie eine kalte Douche gewirkt, und so schlug er, unverständliche Worte vor sich hinmurmelnd, den Weg längs des Strandes wieder ein.
    Bruder Sam und Bruder Sib fühlten sich in ihrer Haut auch nicht besonders wohl. In ihren reservirten Salon eingetreten, erwarteten sie mit gesenkten Ohren, daß Miß Campbell das Wort nehmen werde.
    Die Erklärung fiel ziemlich kurz, aber desto deutlicher aus. Sie waren nach Oban gekommen, um einen freien Meereshorizont zu sehen; einen solchen sah man hier nicht oder doch nur so wenig, daß es sich nicht der Mühe lohnte, davon zu reden.
    Die beiden Onkels konnten sich nur damit entschuldigen, daß sie im guten Glauben gehandelt hätten. Sie kannten Oban vorher selbst noch nicht. Wer hätte geahnt, daß das Meer, das freie offene Meer nicht ebenfalls da zu finden sei, wo so viele Badegäste zusammenströmten? Hier war freilich der einzige Punkt der Küste, wo, Dank diesen unglückseligen Hebriden, die Kreislinie des Wassers nicht den Himmel begrenzte!
    »Nun gut, sagte Miß Campbell in einem Tone, dem sie eine möglichst strenge Färbung verlieh, es wird also nichts Anderes übrig bleiben, als einen anderen Küstenpunkt aufzusuchen, selbst auf den Verlust des unschätzbaren Vortheils hin, mit Herrn Aristobulos Ursiclos zusammen zu sein!«
    Die Brüder Melvill neigten instinctiv den Kopf, ohne auf die kleine Bosheit zu antworten.
    »Wir werden sofort das Nöthige besorgen, fuhr Miß Campbell fort, um noch heute abzureisen.
    – Ja, ja, wir wollen abreisen!« stimmten die beiden Onkels zu, welche ihre Unbesonnenheit nur durch einen Act passiven Gehorsams glaubten wett machen zu können.
    Sogleich erklang es wieder nach alter Gewohnheit:
    »Bet!
    – Beth!
    – Beß!
    – Betsey!
    Betty!«–
     

    Oban. (S. 54.)
     
    Frau Beß erschien, gefolgt von Patridge. Beide wurden von dem neuen Beschlusse unterrichtet, und da sie von jeher wußten, daß ihre junge Herrin immer Recht haben mußte, grübelten sie gar nicht über den Grund dieser eiligen Abreise.
    Hier hatte man jedoch buchstäblich die Rechnung ohne den Wirth, d. h. ohne Master Mac-Fyne, den Besitzer des Caledonian-Hôtels, gemacht.
    Man müßte diese schätzenswerthen Industriellen, selbst in dem so gastlichen Schottland, sehr schlecht kennen, um zu glauben, daß sie eine aus drei Personen und zwei Dienstleuten bestehende Familie so ruhig wegziehen ließen, ohne alles Mögliche aufzustellen, sie zurückzuhalten. Und das traf auch in unserem Falle ein.
    Kaum hatte Master Mac-Fyne von dem für ihn bedeutungsvollen Vorhaben erfahren, als er mit der Erklärung zur Hand war, daß sich ja Alles zur allgemeinen Befriedigung arrangiren ließe, ohne dabei von der persönlichen Befriedigung zu sprechen, die er darüber empfand, so anständige Gäste so lange als möglich zu behalten.
    Was wünschte Miß Campbell und was verlangten deshalb die Herren Melvill?
    Eine unbeschränkte Aussicht über das Meer, wenigstens nach Westen und Nordwesten? Dieser Wunsch war ja leicht genug zu erfüllen, zumal es sich im Grunde doch nur darum handelte, den Untergang der Sonne beobachten zu können. Von dem Gestade von Oban konnte man denselben nicht sehen? Zugegeben. Wäre das von der

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