Der häusliche Herd
Stockwerk kenne.
Als sie an den Türen der Kabinette vorbeikamen, nannte er in
vertraulichem Tone jede Zofe. In diesem Winkel des Ganges wohnt
neben Adele die Zofe der Frau Campardon, ein raffiniertes
Frauenzimmer namens Lisa, dann ihre Köchin Victorie, eine
sitzengebliebene Person von siebzig Jahren, die einzige, die er
respektiert; dann Franziska, die erst gestern bei Frau Valerie in
Dienst getreten ist und die ihren Koffer vielleicht schon nach
vierundzwanzig Stunden wieder hinter der ärmlichen Bettstatt
hervorholen wird, welche eine solche Völkerwanderung von
Kammerzofen sieht, daß man sieh immer erst informieren muß, ob
keine neue da ist, bevor man heraufkommt, »um zu warten« …
Dann ein ruhiges Ehepaar, das bei den Mietern im zweiten Stock
bedienstet ist; dann der Kutscher dieser Leute, von dem er mit der
Eifersucht des hübschen Mannes sprach, weil er ihn in Verdacht
hatte, daß er von Tür zu Tür gehe, um sein Liebesglück nicht ohne
Erfolg zu versuchen; endlich am andern Ende des Ganges noch
Clémence, die Kammerfrau von Frau Duverdy, die allabendlich die
Besuche des Haushofmeisters Hyppolit mit einer Regelmäßigkeit
empfängt, die sonst nur unter Eheleuten anzutreffen ist;
zuguterletzt noch die kleine Louise, eine fünfzehnjährige
Waise, die Frau Juzeur adoptiert hat, und
die in der Nacht saubere Dinge hören muß, wenn sie keinen allzu
festen Schlaf hat.
Lassen Sie die Türe des Dachbodens offen, mein Freund, sagte
Octave, als dieser die Bücher an sich genommen hatte. Sie begreifen
– wenn der Dachboden offen ist, kann man sich verstecken und
warten.
Octave ließ sich bewegen, die Wachsamkeit des Herrn Gourd zu
täuschen, und stieg mit Trublot in das Zimmer Juliens hinab, weil
letzterer seinen Überrock daselbst zurückgelassen hatte. Dann
wieder konnte er seine Handschuhe nicht finden; er schüttelte alle
Unterröcke, warf die Bettdecken durcheinander und verursachte einen
solchen Staub, einen solchen Geruch von unsauberer Wäsche, daß
Octave schier erstickte und rasch das Fenster öffnete.
Dieses Fenster ging auf den engen Lichthof, von wo sämtliche
Küchen des Hauses das Licht empfingen. Er neigte sich vor in diesen
feuchten Schacht, aus dem die fettigen Gerüche von schlecht
gereinigten Ausgußröhren aufstiegen; plötzlich aber zog er den Kopf
zurück, weil er Stimmen vernahm.
Das ist der übliche kleine Morgentratsch, sagte Trublot, der
jetzt auf allen Vieren kriechend seine Handschuhe unter dem Bette
suchte. Hören Sie nur zu!
Es war Lisa, das Stubenmädchen der Campardon, das, an die
Fensterbrüstung der Küche gelehnt, allerlei Fragen an Julie, die
Köchin der Duverdy, die zwei Stockwerke tiefer ebenfalls am Fenster
stand.
Es ist endlich »gemacht«, wie? fragte Lisa.
Es scheint, erwiderte Julie, den Kopf erhebend. Nur daß sie ihm
die Hose nicht ausgezogen hat, sonst hat sie alles getan. Hyppolit
ist dermaßen angewidert aus dem Salon
zurückgekehrt, daß er eine Magenverstimmung bekommen haben muß.
Wenn wir nur den vierten Teil dessen täten! … meinte
Lisa.
Jetzt verschwand sie einen Augenblick, um eine Bouillon zu
nehmen, die Victoire ihr brachte. Sie lebten im besten
Einvernehmen, die beiden, und schonten gegenseitig die Laster der
andern; die Kammerzofe schwieg über die Trunksucht der alten
Köchin; diese hingegen schwieg über die Ausgänge der Zofe, von
denen sie immer mit gebrochenen Gliedern und blau umränderten Augen
zurückkam.
Ach, Kinder, sagte Victorie, die sich neben Lisa hinausneigte:
ihr seid jung; wenn ihr soviel gesehen habt wie ich! Bei dem alten
Campardon gab es eine Nichte – ein erwachsenes Mädchen – das durch
die Schlüssellöcher spähte, um das Treiben der Männer zu
sehen …
Das sind saubere Geschichten! murmelte Julie mit der Miene einer
anständigen Person. An Stelle der Kleinen vom vierten Stock würde
ich Herrn August mit Maulschellen traktiert haben, wenn er es
gewagt hätte, mich im Salon zu berühren. So ein lockerer
Zeisig!
Jetzt vernahm man ein schallendes Gelächter aus der Küche der
Frau Juzeur.
Lisa, die sich gerade gegenüber befand, schaute scharf hinüber
und sah Louise, die mit ihren frühreifen fünfzehn Jahren sich bei
den Gesprächen der Mägde sehr zu amüsieren seinen.
Dieser kleine Maulaffe spioniert uns nach vom frühen Morgen bis
zum späten Abend. Es ist blöd, daß man uns einen solchen Fratz auf
den Hals ladet. Man wird bald nicht mehr plaudern können …
Sie konnte ihren Satz nicht vollenden,
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