Der häusliche Herd
denn das
Geräusch eines Fensters, das plötzlich
irgendwo geöffnet ward, verscheuchte die Teilnehmer an diesem
gemütlichen Morgenplausch. Es war eine Weile still, dann knüpfte
das Gespräch wieder an. Die Plaudernden hatten geglaubt, daß Frau
Valerie oder Frau Josserand sie überrascht hätten.
Keine Gefahr, sagte Liesa. Sie sind bei ihren Waschbecken; ihre
Haut beschäftigt sie zu sehr, als daß sie uns langweilen möchten.
Es ist der einzige Augenblick des Tages, wo man Atem schöpfen
kann.
Bei Ihnen gehen die Dinge noch immer gleichmäßig? fragte Julie,
die eine Möhre schabend wieder ans Fenster getreten war.
Immer das nämliche, erwiderte Victoire. Es ist aus; sie ist
»verstopft«.
Die anderen lachten höhnisch, gekitzelt durch dieses Wort, das
eine der Damen des Hauses vor ihnen entkleidete.
Was fängt da Ihr Architekt, der lockere Zeisig, an?
Mein Gott, er hält es mit der Base.
Sie lachten noch lauter; doch bemerkten sie jetzt in der Küche
der Frau Valerie das neue Stubenmädchen Franziska. Sie hatte ihnen
vorhin durch das öffnen des Fensters einen solchen Schreck
verursacht. Man war zuerst sehr höflich gegeneinander.
Sie sind's, Fräulein?
Ach ja, Fräulein. Ich suche mich hier einzurichten; aber diese
Küche ist gar zu ekelhaft.
Sie müssen sich mit recht viel Geduld wappnen, wenn Sie da
bleiben wollen. Ihrer Vorgängerin waren die Arme ganz zerkratzt
durch das Kind, und sie war durch ihre Herrin den ganzen Tag
dermaßen herumgehetzt, daß wir sie oft bis hierher weinen
hörten.
Ich denke selbst, es wird nicht lange
währen. loh danke Ihnen indes für die Auskunft.
Wo ist Ihre Herrin? fragte Victoire neugierig.
Sie ist soeben ausgegangen, um bei einer befreundeten Dame zu
frühstücken.
Lisa und Julie verrenkten sich schier die Hälse, um einen Blick
miteinander auszutauschen. Sie kannten diese Dame sehr gut. Das
wird ein drolliges Frühstück mit dem Kopf nach unten und den Beinen
nach oben! Wie kann man nur so verlogen sein! Sie bedauern zwar den
Gatten nicht, er verdient noch Schlimmeres; aber ein solches
Betragen wie das dieser Frau macht dem Menschengeschlechte doch
Schande.
Da ist der Schmutzlappen! sagte Lisa, die jetzt das Erscheinen
Adelens in der Küche der Josserands bemerkte.
Jetzt stieg aus diesem feuchten Schachte eine Flut von
unflätigen Schmähungen gegen Adele auf, gegen das schmutzige und
ungeschlachte Vieh, auf dem das ganze Haus herumtrat.
Schau, schau, die hat sich gar gewaschen! man sieht es
gleich!
Unterstehe dich noch einmal, die Eingeweide vom Fisch, in den
Hof hinunterzuwerfen, dann werde ich hinaufkommen und dich damit
waschen!
Geh' Hostien essen, du Pfarrersdirne! Ihr müßt wissen, sie
behält davon zwischen den Zähnen, um sich die ganze Woche damit zu
nähren.
Adele neigte sich verblüfft, zum Fenster hinaus; dann rief sie
ihnen zu:
Laßt mich in Ruhe, sonst werde ich euch begießen!
Das Geschrei und Gelächter ward nur noch lauter.
Hast sie gestern verheiratet, deine Herrin? Sie lernt vielleicht
von dir, wie man die Männer festhält? …
So ein Taugenichts! in einem Hause zu
bleiben, wo man sich das Essen abgewöhnt hat! Das erbittert mich am
meisten gegen sie! …
Adelens Augen füllten sich mit Tränen.
Ihr könnt nichts als schimpfen! blökte sie. Ist es meine Schuld,
wenn hier nichts gegessen wird?
Das Gespräch ward immer lauter; Lisa und Franziska, das
Stubenmädchen, tauschten sehr herbe Worte aus, als plötzlich Adele
– alle Schmähungen vergessend und nur dem Zusammenhangsgefühl
gehorchend, ausrief:
Still! Die Gnädige ist da!
Es ward totenstill im Hofe. Alle machten sich jetzt in der Küche
zu schaffen; aus der Tiefe des dunklen engen Hofes stieg nur der
üble Geruch des Ausgusses empor, gleichsam der Hauch aller
Unflätigkeiten, die in den Familien verheimlicht, hier aber von den
Dienstleuten schonungslos hervorgezerrt werden.
Sie sind alle sehr herzig miteinander, begnügte sich Octave zu
bemerken.
Dann neigte er sich hinaus und betrachtete die Mauern, gleichsam
verdrossen darüber, daß er nicht vom ersten Augenblick durchschaut
hatte, was hinter dem falschen Marmor sich barg.
Wo zum Teufel hat sie die Handschuhe, hingesteckt? fragte
Trublot, der alles, sogar das Nachtkästchen durchsucht hatte.
Endlich entdeckte er sie im Bette selbst, ganz zerdrückt und
warm. Er warf einen letzten Blick in den Spiegel, legte den
Schlüssel an den vereinbarten Platz unter einen am Ende des Flures
stehenden Kredenztisch, den
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