Der häusliche Herd
irgend ein Mieter zurückgelassen hatte
und ging dann in Begleitung Octaves hinunter. Er war zugeknöpft bis
an den Hals, um Frack und weiße Krawatte zu verbergen; als man an
der Wohnung der Josserand vorbei und auf
der Haupttreppe angekommen war, hatte er seine zuversichtliche
Haltung vollständig wiedergewonnen.
Auf Wiedersehen, mein Lieber, sagte er mit erhobener Stimme. Ich
war besorgt und habe mich nach dem Befinden der Damen erkundigt.
Sie haben vortrefflich geschlafen … Auf Wiedersehen!
Octave blickte ihm lächelnd nach. Er entschloß sich, den
Dachbodenschlüssel später zurückzugeben, und begab sieh zu den
Campardon zum Frühstück. Ihn interessierte hauptsächlich Lisa, die
bei der Tafel bediente. Sie trug ungewöhnliches, ruhiges und
angenehmes Benehmen zur Schau, nur in ihrer herben Stimme glaubte
er noch einen Nachhall der unflätigen Reden von vorhin zu
entdecken. Sein Empfinden für das Weib hatte ihn bei diesem Mädchen
mit dem platten Busen nicht getäuscht.
Frau Campardon war übrigens nach wie vor entzückt von ihr und
höchlich erstaunt darüber, von ihr nicht bestohlen zu werden, was
auch richtig war, weil ihr Laster einen ganz andern Namen hatte.
Auch war das Stubenmädchen so gut zu Angela, daß die Mutter
vollständiges Vertrauen faßte.
Diesen Morgen verschwand Angela bei dem Nachtisch, und man hörte
sie in der Küche laut lachen. Octave erlaubte sich die Bemerkung,
es sei vielleicht nicht gut, daß man sie so frei mit den
Dienstboten verkehren lasse.
Ach, es ist dabei nichts zu befürchten, erwiderte Frau Campardon
mit ihrer schmachtenden Miene. Victoire ist eine Person, die meinen
Mann zur Welt hat kommen sehen, und Lisas bin ich vollständig
sicher. Überdies zerreißt mir das Kind den Kopf. Sie hüpft den
ganzen Tag um mich herum, daß ich schier toll werde.
Der Architekt kaute mit ernster Miene an
seiner Zigarre.
loh selbst habe die Anordnung getroffen, sagte er dann, daß
Angela jeden Nachmittag zwei Stunden in der Küche zubringe. Ich
will, daß sie eine Hauswirtin wird. Sie steht fortwährend unter
unserer Obhut, und Sie werden sehen, welches Juwel wir aus ihr
machen.
Octave ließ den Gegenstand fallen. An manchen Tagen fand er den
Architekten sehr dumm. Campardon lud ihn ein, mit ihm in die
Rochus-Kirche zu gehen, wo heute ein berühmter Prediger zu hören
sei, doch Octave lehnte ab. Er verständigte Frau Campardon, daß er
nicht zum Mittagessen kommen werde, und schickte sich an, in sein
Zimmer hinaufzusteigen; da fühlte er den Dachbodenschlüssel in der
Tasche. Er entschloß sich, den Schlüssel sogleich
hinabzutragen.
Aber oberhalb des Treppenabsatzes interessierte ihn ein
unerwarteter Anblick. Die Türe des Zimmers, das an den sehr feinen
Herrn vermietet war, dessen Namen man nicht nannte, war geöffnet.
Das war ein Ereignis, denn die Tür blieb immer versperrt, gleichsam
in Grabesruhe versenkt. Seine Überraschung stieg noch höher; er
suchte mit den Blicken den Arbeitstisch des Herrn und entdeckte an
dieser Stelle den Winkel eines großen Bettes, als er plötzlich eine
kleine Dame, schwarzgekleidet, das Gesicht hinter einem dichten
Schleier verborgen, bemerkte. Hinter ihr schloß sich die Tür
geräuschlos wieder.
Er ging sodann, sehr neugierig geworden, der Dame auf den Fersen
nach, um zu erfahren, ob sie hübsch sei. Aber sie schwebte mit
scheuer Eile davon und streifte kaum mit ihren winzigen Stiefelchen
die Treppenstufen, im Hause keine andere Spur als die ihres
Eisenkrautparfüms zurücklassend. Als er im Hausflur anlangte,
war sie verschwunden, und er bemerkte bloß
Herrn Gourd,; der in der Vorhalle stand und sie sehr demütig
grüßte, indem er sein Käppchen lüftete.
Als der junge Mann dem Hausmeister den Schlüssel zurückgegeben
hatte, beeilte er sich, ihn zum Reden zu veranlassen.
Sie sieht sehr fein aus, sagte er. Wer ist sie eigentlich?
Das ist eine Dame, erwiderte Herr Gourd.
Er wollte nichts weiter hinzufügen. Aber er zeigte sich
zugänglicher bezüglich des Herrn vom dritten Stockwerke. Ein Mann
der besten Gesellschaft, der dieses Zimmer mietete, um darin ruhig
eine Nacht in der Woche zu arbeiten.
Schau, schau! Er arbeitet! unterbrach ihn Octave. Was denn?
Er hat uns die Führung seiner Wirtschaft anvertraut, fuhr Herr
Gourd fort, als habe er die Frage nicht gehört. Sehen Sie, er zahlt
sehr gut … Wenn man jemandem die Wirtschaft führt, weiß man
bald, ob man's mit was Rechtem zu tun hat. Der hier ist der
anständigste Mensch, den
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