Der häusliche Herd
noch kahleres, ungemütlicheres
Aussehen hatte als sonst.
Halt, da ist sie! rief sie plötzlich, als eine Weibsperson aus
der bezeichneten Türe trat.
Herr Gourd pflanzte sich jetzt vor der Loge auf,
gleichsam um der Frau den Weg zu
vertreten, die jetzt mit verlangsamten Schritten und besorgter
Miene näher kam.
Wir passen ihr schon seit dem Morgen auf, sagte er halblaut zu
Octave. Gestern abend sahen wir sie hereinkommen … Sie kommt
von dem Tischler da oben, dem einzigen Arbeiter, den wir im Hause
haben – Gottlob, daß er der einzige ist! Würde der Hausbesitzer
meinen Rat befolgen, so würde er lieber das Kabinett leer stehen
lassen. Es ist ja ohnehin nur ein Dienstbotenzimmer, das gar nicht
zu den Wohnungen zählt. Für hundertdreißig Franken jährlich lohnt
es sich kaum, solche Schweinereien im Hause zu dulden.
Er unterbrach sich jetzt, um die Weibsperson in rauhem Tone zu
fragen:
Woher kommen Sie?
Nun, von oben! erwiderte sie, ohne stehen zu bleiben.
Da brach er los.
Wir wollen hier keine Frauenzimmer, hören Sie? Wir haben es dem
Manne schon gesagt, der Sie herbringt. Wenn Sie noch einmal hier zu
nächtigen wagen, hole ich einen Schutzmann, und dann wollen wir
sehen, ob Sie Ihre unsauberen Geschichten in einem anständigen
Hause fortsetzen werden! …
Lassen Sie mich zufrieden! erwiderte die Frau. Ich bin bei mir
zu Hause und werde wiederkommen, wenn es mir beliebt.
Damit ging sie ihres Weges, verfolgt durch die Rufe der
Entrüstung des Herrn Gourd, der davon sprach, bei dem Hausbesitzer
Beschwerde führen zu wollen. Hat man je gesehen! Eine solche
Kreatur bei anständigen Hausleuten, die nicht die geringste
Unsittlichkeit dulden! Wie es schien, war dieses von einem Arbeiter
bewohnte Kabinett die Kloake des Hauses, ein übler Ort, dessen
Überwachung das Zartgefühl des Herrn Gourd
verletzte und den Schlaf seiner Nächte störte.
Was ist's mit dem Schlüssel? fragte Octave.
Doch der Hausmeister, wütend darüber, daß ein Mieter Zeuge davon
war, wie seine Autorität mißachtet wurde, fiel jetzt über Mutter
Pérou her, um zu zeigen, wie er sich Gehorsam zu verschaffen wisse.
Wolle sie ihn etwa »frotzeln«, daß sie mit ihrem Besen schon wieder
die Türe seiner Loge angespritzt habe? Er bezahlte sie aus seiner
Tasche, um sich die Hände nicht zu beschmutzen, und müsse doch
immer hinter ihr reinigen. Er werde kein Mitleid mehr mit ihr
haben, möge sie vor Hunger krepieren!
Gebrochen durch diese für sie zu schwere Arbeit, fuhr die Alte
fort, wortlos mit ihren dürren Armen das Pflaster zu scheuern;
dieser Herr mit den breiten Schultern und dem Samtkäppchen flößte
ihr einen solchen Schrecken ein, daß sie nicht einmal zu weinen
wagte.
Jetzt fällt mir ein, mein Lieber, sagte Frau Gourd von ihrem
Sessel aus, in dem sie den ganzen Tag ihre dicke Person briet,
jetzt fällt mir ein, daß ich selbst den Schlüssel unter den Hemden
versteckt habe, damit nicht die Mägde immer auf dem Dachboden da
oben stecken … Gib ihn Herrn Mouret.
Saubere Vögel, diese Mägde! brummte Herr Gourd, der von seiner
langen Dienstzeit her von Haß gegen alle Dienstboten erfüllt war.
Hier, mein Herr, ist der Schlüssel; ich bitte Sie, mir ihn wieder
herunterzubringen, denn wo nur ein Winkel offen ist, treiben die
Dienstmädchen ihren Unfug.
Um nicht über den feuchten Hof gehen zu müssen, stieg Octave auf
der Haupttreppe hinauf. Im vierten Stockwerke betrat er durch die
Verbindungstür, die sich neben seiner Wohnung befand, die
Dienstbotentreppe. Ein langer Gang, der zweimal in einem rechten
Winkel abbog, zog sich hier oben hin; der
Gang war hellgelb getüncht mit einem dunkleren Streifen am Fuße der
Mauer. Wie in einem Klostergange öffneten sich auf diesen Flur in
regelmäßigen Zwischenräumen die gleichfalls gelb gestrichenen
gleichförmigen Türen der Dienstbotenzimmer. Von dem Zinkdache
schien eine eisige Kälte sich herabzusenken. Es war hier alles so
kahl und sauber; dabei herrschte der widerwärtige Geruch, der in
den Behausungen der Armen anzutreffen ist.
Der Dachboden lag im rechten Flügel und ging auf den Hof. Allein
Octave, der seit seiner Ankunft an diesen Ort nicht gekommen war,
ging über den linksseitigen Gang. Ein Anblick, der im Hintergrunde
eines der Dienstbotenzimmer im Vorbeigehen durch die angelehnte Tür
sich ihm bot, ließ ihn plötzlich haltmachen. Vor einem kleinen
Spiegel stand ein Herr in Hemdärmeln und legte seine weiße Krawatte
an.
Was, Sie sind's? rief er.
Es war
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