Der Hauch Des Bösen: Roman
Grünpflanzen verziert. Ein kleiner Teil war abgetrennt und mit kleinen Kinderstühlen und Spielsachen bestückt. Dort schlug ein vierjähriger Junge rhythmisch einem zirka Zweijährigen mit einem Schaumstoffschläger auf den Kopf und akzentuierte jeden Treffer mit einem begeisterten: »Peng!«
»Sollte nicht jemand dafür sorgen, dass er aufhört?«, wunderte sich Eve.
»O nein, Madam. Er macht nur seinen Job. Es ist die Aufgabe der älteren Geschwister, die jüngeren zu schlagen. Zeke beispielsweise hat mir regelmäßig mit dem Zeigefinger ein Loch in den Brustkasten gebohrt. Ich vermisse ihn schrecklich.«
»Aha.« Leicht verblüfft trat Eve vor den Empfangstisch, und sofort wurden sie in Louises Büro geführt.
So sehr sich auch die Klinik insgesamt entwickelt hatte, war Louises Büro nach wie vor klein und vollgestopft. Die Gönner ihrer Klinik brauchten keine Angst zu haben, dass sie womöglich einen Teil der Spenden für die Verschönerung ihres eigenen Bereichs verwendet hätte.
Eve nutzte die Wartezeit, um zu überprüfen, ob auf ihrem Link auf dem Revier irgendwelche Textnachrichten
oder E-Mails eingegangen waren, und fand eine, wenn auch nur sehr kurze, Mitteilung von Roarke.
Dann kam Louise, einen blassgrünen Laborkittel über ausgeblichenen Jeans und einem weißen T-Shirt, durch die Tür gehetzt. Etwas, das aussah wie geronnene Milch, tropfte von ihrer Brust.
»Hallo, Leute. Kaffee! Ich habe zehn Minuten Zeit. Schießen Sie also am besten sofort los.«
»Sie haben einen Fleck auf Ihrem Kittel.«
»Oh, heute sind die Kinder dran. Das ist nur ein bisschen Babyspucke, weiter nichts.«
»Oh. Igitt.«
Grinsend zog Louise ihren Kaffeebecher unter dem AutoChef hervor. »Ich nehme an, Sie kommen ab und zu mit wesentlich interessanteren Körperflüssigkeiten an den Kleidern heim. Ein bisschen Spucke ist wirklich nicht weiter schlimm.« Sie setzte sich auf die Kante ihres Schreibtischs und seufzte wohlig. »Endlich sitzen. Fühlt sich fast besser an als Sex. Was kann ich für Sie tun?«
»Haben Sie etwas von den Morden an den beiden Collegestudenten mitbekommen?«
»Ich habe davon in den Nachrichten gehört. Vor allem die Berichte von Nadine.« Sie blies in ihren Kaffee und trank den ersten Schluck. »Warum?«
»Ich arbeite an einer Theorie, derzufolge die Person, die sie getötet hat, möglicherweise krank ist oder sogar im Sterben liegt. Derzufolge sie an irgendeiner Krankheit leidet, die nicht heilbar ist.«
»Warum?«
»Das ist eine ziemlich komplizierte Theorie.«
»Wie gesagt, ich habe zehn Minuten Zeit.« Sie schob eine Hand in die Tasche ihres Kittels und zog einen roten Dauerlutscher daraus hervor. »Sie müssen Ihre Erklärung also raffen.«
»Es gibt einen alten Aberglauben, dass die Kamera die Seele absorbiert. Ich denke, vielleicht hat er diesen Aberglauben noch weiter geführt. Er spricht von ihrem Licht - von ihrem reinen Licht. Und davon, dass sie jetzt ihm gehören. Eventuell ist es ein wenig weit gegriffen, aber was ist, wenn er denkt, dass er ihr Licht zum Leben braucht?«
»Mmm.« Louise schob sich den Lutscher in den Mund. »Interessant.«
»Wenn er das wirklich glaubt, können wir daraus vielleicht schließen, dass er eine schlechte Nachricht bezüglich seiner eigenen Lebenserwartung erhalten hat. Nennt ihr Ärzte Tumore und andere üble Massen, die man im Körper haben kann, nicht auch Schatten?«
»Ein Tumor, eine Masse, wird beim Röntgen und beim Ultraschall als dunkler Fleck - als eine Art von Schatten - sichtbar.«
»Bei diesen Untersuchungen werden doch Aufnahmen gemacht, nicht wahr?«
»Genau. Ich verstehe, was Sie denken, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen helfen kann.«
»Sie kennen jede Menge Ärzte, die wiederum jede Menge andere Ärzte kennen. Sie haben Beziehungen zu Krankenhäusern und Gesundheitszentren. Ich muss wissen, wer im letzten Jahr eine schlechte Nachricht bekommen hat. Allerdings brauche ich nur die Namen männlicher Patienten zwischen fünfundzwanzig und sechzig. Andere interessieren mich vorläufig nicht.«
»Tja dann, das reinste Kinderspiel.« Louise leerte ihren Kaffeebecher aus und schüttelte den Kopf. »Dallas, trotz der Krebsimpfung, trotz früher Diagnosen, trotz der hohen Erfolgsraten bei der Behandlung gibt es nach wie vor jede Menge Leute, die unheilbar erkranken oder die man nicht mehr operieren kann. Nimmt man dann noch all diejenigen hinzu, die aus religiösen Gründen, aus Angst, aus Starrsinn oder Ignoranz eine
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