Der Hauch Des Bösen: Roman
Beziehungen, wenn man sie denn schon hatte, am besten sinnvoll nutzte, rief sie Louise Dimatto an.
Da Louisestetseinenvollgeschriebenen Terminkalender hatte, wählte sie die Nummer ihres Handys, um herauszufinden, wo sie gerade war, und beschwatzte sie so lange, bis sie mit einer kurzen Unterhaltung einverstanden war.
Die Klinik in der Canal Street war Louises Baby. Auch wenn es nicht gerade die Wunschvorstellung ihrer wohlhabenden Familie gewesen war, dass sie eine kostenlose Klinik in einem Bezirk eröffnete, in dem Obdachlose Hütten aus Pappkartons errichteten und nicht lizenzierte Bettler Almosen erflehten, hatte sie bei der Erfüllung dieses Traumes kräftig mit ihren sorgsam manikürten Händen zugepackt.
Sie hatte jede Menge Zeit und Geld in das Projekt gesteckt und mit einer groß angelegten Kampagne jeder Quelle, die sich hatte anzapfen lassen, noch mehr Zeit und Geld entlockt. Und Louise hatte jede Menge Quellen, wusste Eve.
Letztendlich war sie selber eine dieser Quellen. Oder vielleicht eher Roarke, dachte sie, als sie ihren
Wagen neben einem alten, verrosteten Zweisitzer abstellte, der nicht nur seiner Reifen, sondern zudem der Sitze und einer seiner Türen verlustig gegangen war. Schließlich war es sein Geld, auch wenn der gewiefte Schurke es über ihr Konto wandern ließ.
Doch das Geld war bestens angelegt. Die Klinik sandte einen gleichförmigen Lichtstrahl in eine ansonsten stockfinstere Welt. Es war ein bescheidenes Gebäude, fiel jedoch mit seinen blitzsauberen Fenstern und graffitifreien Wänden weithin auf.
Auf der anderen Straßenseite saß eine Drogensüchtige mit einer großen schwarzen Sonnenbrille und zuckte im Takt des Liedes, das sie summte. Ein Stück weiter lehnten zwei junge Kerle auf der Suche nach Ärger, den es in dieser Gegend so gut wie ständig gab, betont lässig an der Wand.
Die meisten vergitterten Fenster in den oberen Etagen waren in der Hoffnung auf eine erfrischende Brise sperrangelweit geöffnet und spuckten neben dem Geschrei von Babys ohrenbetäubenden Trashrock und zänkisch erhobene Stimmen aus.
Eve schaltete das Blaulicht ihres Wagens ein, schlenderte zu den beiden Halbstarken hinüber und baute sich vor ihnen auf. Sofort strafften sie die Schultern und bedachten sie mit einem herausfordernden Blick.
»Ihr kennt Dr. Dimatto?«
»Die kennt jeder hier, na und?«
»Und falls ihr jemand Ärger machen will«, warnte sein Kumpel Eve, »kriegt er es mit uns zu tun.«
»Gut zu wissen, weil ich nämlich eine Freundin von ihr bin und kurz mit ihr reden will. Seht ihr den Einsatzwagen dort?«
Einer der beiden schnaubte. »Die reinste Rostlaube.«
»Meine Rostlaube«, bestätigte ihm Eve. »Und ich will, dass sie, wenn ich wiederkomme, noch in genau demselben jämmerlichen Zustand ist. Falls nicht, tja, dann fängt der Ärger an, und zwar damit, dass jeder von euch beiden Herren ein saftiges Strafmandat von mir kriegt. Verstanden?«
»Ooh, Rico, ich zittere vor Angst.« Lachend stieß der eine den anderen mit dem Ellenbogen an. »Falls jemand an die Reifen der Karre pisst, verpasst uns unser kleines Bullenmädel hier bestimmt ein mächtiges Ding.«
»Ich werde lieber höllische Bullenhexe genannt. Nicht wahr, Peabody?«
»Allerdings, Madam«, rief Peabody von ihrem Platz neben dem Fahrzeug zurück. »Und zwar zu Recht.«
Während Eve den beiden Kerlen nacheinander in die Augen blickte, wollte sie von ihrer Assistentin wissen: »Und aus welchem Grund?«
»Weil Sie so fürchterlich gemein sind. Und statt jemandem, der sich an den Reifen Ihres Dienstfahrzeugs erleichtert, eine zu verpassen, drehen sie ihm eher die Eier ab und erwürgen ihn anschließend damit.«
»Ja genau. Und was mache ich dann, Peabody?«
»Dann, Madam? Dann fangen Sie herzhaft an zu lachen.«
»Und heute hatte ich noch nichts zu lachen, merkt euch das.« In dem beruhigenden Bewusstsein, dass ihr Fahrzeug sicher wäre, ging Eve zufrieden zurück über die Straße und durch die Kliniktür.
»Das mit dem Lachen hat mir wirklich gut gefallen.«
»Danke. Ich dachte, das verleiht dem Ganzen den richtigen Ton. Junge.« Sie sah sich in dem mit leidenden Menschen vollgestopften Wartezimmer um. Die meisten, die hier saßen, ließen die beiden Schläger von der anderen Straßenseite wie die reinsten Pfadfinder aussehen. Aber sie alle warteten geduldig, bis man sie in eines der Behandlungszimmer bat.
Der Raum war sauber, frisch gestrichen, mit einem fleckenlosen Teppich ausgelegt und üppigen
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