Der Hauch von Skandal (German Edition)
der reine Irrsinn. Wenn sich die Leidenschaft irgendwann legte, würden nur noch Antipathie und gegenseitige Vorwürfe übrig bleiben.
„Es wird nicht dazu kommen“, sagte sie. „Sie halten mich für oberflächlich und leichtsinnig wie viele andere Damen der Londoner Gesellschaft, aber das bin ich nicht. Und selbst wenn, wären Sie der letzte Mann, den ich mir zum Liebhaber nehmen würde. Ich gebe mich niemals einem Mann hin, der keinen Respekt vor mir hat.“
Sein dunkler Blick war nicht zu deuten. „Sie waren aber verdammt kurz davor.“
„Und genau deswegen habe ich nicht vor, Sie jemals wiederzusehen.“
Die Temperatur im Raum sank schlagartig, als hätte jemand eine Tür geöffnet und eisige Winterluft hereingelassen.
„Sie werden mich noch sehr oft sehen, da ich fest entschlossen bin, auf Ihrem Schiff zu sein.“
„Ich will Sie aber nicht dabeihaben“, rief Joanna aufgebracht.
„Ihre Wünsche spielen in dieser Angelegenheit leider keine Rolle. Als Ninas Vormund kann ich es nicht guten Gewissens zulassen, dass Sie sich wegen Ihrer eigenen Leichtsinnigkeit in Gefahr bringen.“
Joanna knirschte mit den Zähnen. „Wie arrogant Sie sind! Ich brauche keinen Helden, der auf mich aufpasst. Etwas Schlimmeres kann ich mir gar nicht vorstellen.“ Sie entwand ihm ihr Handgelenk, griff nach ihrem Umhang und ihrer Haube und öffnete die Tür. „Brooke?“, sagte sie und warf Alex einen trotzigen Blick zu. „Lord Grant möchte jetzt gehen.“
„Mylord.“ Der einstige Boxer verneigte sich mit ausgesuchter Höflichkeit, die schlecht über seine Feindseligkeit hinwegtäuschte, vor Alex und trat zur Seite, um ihn vorbeigehen zu lassen.
Alex beachtete ihn gar nicht. Er nahm Joannas Hand und küsste sie. Joanna spürte den Druck seiner Lippen auf ihrem Handrücken und kämpfte gegen ihre Reaktion darauf an.
Brooke wippte auf seinen Absätzen vor und zurück, bereit zum Kampf. „Mylady?“ Doch Joanna schüttelte den Kopf. Alex ließ ihr höflich den Vortritt, und sie verließen das Gebäude.
Die Nacht war dunkel und warm. Die Mitglieder des Boxvereins strömten lärmend aus dem Gasthaus; der Kampf war zu Ende, und alle waren trunken von Ale und guter Laune wegen ihrer gewonnenen Wetten. Als sie Joanna entdeckten, brachen sie in Jubel aus, scharten sich um sie, verneigten sich vor ihr und versuchten, ihr die Hand zu küssen. Joanna merkte, dass Alex sie mit leicht missbilligendem Blick beobachtete. Plötzlich fühlte sie sich übermütig und sorglos und warf ihren Bewunderern Kusshände zu. Der Jubel der Menge schwoll im selben Maße an, wie Alex’ Miene sich verfinsterte. Zwei junge Männer verbeugten sich formvollendet vor Joanna und begannen ihr zu Ehren Sonette zu rezitierten, worauf sie von der Menge so laut ausgebuht wurden, dass Joanna sich gezwungen sah einzuschreiten, ehe es zu einer Störung der Nachtruhe kam.
„Gehen Sie nach Hause, und schlafen Sie sich aus, Lord Selsey“, sagte sie, als ein Adelsspross versuchte, sie zu küssen, und dabei ins Taumeln geriet. „Sie sind betrunken.“
„Ein ganz klein wenig, Madam“, gab Selsey zurück. „Ich bin aber immer noch nüchtern genug, um Ihnen meine Hand und mein Herz zu Füßen zu legen …“
„Schon wieder“, meinte Joanna seufzend. „Ich fürchte, Ihr Vormund würde das nicht erlauben.“
„Wir könnten ja durchbrennen“, schlug Selsey hoffnungsvoll vor. Er hielt sich schwankend an einem Laternenpfahl fest und wirkte nur ein wenig betroffen, als Brooke ihn am Schlafittchen packte und auf die Straße schubste.
„Im Moment mache ich mir kaum Sorgen um Ihre Sicherheit“, stellte Alex fest und kämpfte sich durch die Menge an ihre Seite. „Wie ich sehe, stehen über hundert Männer zu Ihren Diensten.“
Joanna lächelte. „Ja. Sind sie nicht reizend?“
„Sie sind ungehobelt und betrunken.“
„Und mir völlig ergeben“, bemerkte Joanna. „Ich liebe sie.“
„Wir lieben Sie auch, Ma’am!“, rief ein Boxer, und die Menge stimmte ihm johlend zu.
Selsey, der inzwischen von einem nicht minder betrunkenen Kumpan gestützt wurde, blinzelte in Alex’ Richtung. „So ist es!“, rief er. „Aber sicher … Mein Gott, Sie sind es! Lord Grant! Was für eine enorme Ehre, Sie kennenzulernen, Sir!“ Er versuchte erneut eine Verbeugung und fiel dabei fast vornüber. „Also, Leute …“ Er wandte sich an die Menge. „Das ist Alex Grant, der Forschungsreisende. Ihr wisst schon, der mit einem Puma gekämpft hat, um seinem Freund
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